Honeyjoon – „Trauer, Liebe und Leben“

Im Internet gibt es den YouTuber Geowizard, der es sich zum Hobby gemacht hat, nur anhand eines einzelnen Fotos herauszufinden, wo es aufgenommen wurde. Oft werden ihm vergilbte Urlaubsfotos längst Verstorbener zugesandt, die die Angehörigen gerne nachstellen möchten, bei denen sie aber nicht wissen, wo das war. Lele (Amira Casar) und June (Ayden Mayeri), die beiden Hauptfiguren von Honeyjoon, brauchen solche Hilfe allerdings nicht. Sie wissen, wo sie suchen müssen. Der verstorbene Mann und Vater hat einst auf den Azoren Urlaub gemacht. Und nun begeben sich Mutter und Tochter auf seine Spuren. Während June die wenige Zeit auf der traumhaft schönen Insel einfach nur genießen möchte – schnell beginnt sie, mit den Hotelangestellten zu flirten – möchte die Mutter den Verlust gemeinsam verarbeiten. Lele „doomscrollt“ jeden Morgen die schlimmen Nachrichten aus ihrer ursprünglichen Heimat, dem Iran, wo jegliche Proteste vom Regime niedergeschlagen werden und politisch Andersdenkende tagtäglich im Gefängnis landen.

Trauerarbeit, gesellschaftspolitische Kontexte und eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung – das klingt nach schwerer Kost. Doch die junge Regisseurin Lilian T. Mehrel erzählt mit bezaubernder Leichtigkeit. Zur Hilfe kommen ihr dabei natürlich die sonnendurchfluteten Postkartenkulissen des Urlaubsparadieses. Mit sanftem Humor begleitet sie die Reise der Hauptfiguren zwischen Vergangenheit und Zukunft. Drollig etwa die Szene, in der beide an der Rezeption stehen und eine Massage buchen wollen, aber feststellen müssen, dass es nur „Honeymoon“-Angebote zu zweit gibt. Eine Inselführung mit dem Hotelangestellten João bringt beide wieder zueinander: Während sich June via eines kuriosen Chatverlaufs ein sexuelles Abenteuer mit dem attraktiven Reiseguide herbeifantasiert, hilft Lele schon einmal Joãos dementer Mutter beim Wäscheaufhängen. Und da zeigt sich eben, dass auch der Hotelangestellte – wie jeder andere Mensch – mit den Sorgen des Alltags zu kämpfen hat. Und auch das Unverständnis Leles, dass ihre Tochter sich nicht für politische Themen interessiert, bekommt eine pointierte Wende, wenn diese erklärt, dass sie in ihrem ganzen Sein auf eigene Weise Widerstand leistet.

Honeyjoon ist auch in seiner Kürze von nur 80 Minuten eine kluge, zwischen Melancholie und Optimismus schwankende Reflexion auf das Leben, die für die Figuren wie den Zuschauer ein Innehalten in rastloser Zeit ermöglicht, um über die wesentlichen Dinge nachdenken zu können. Geschickt montiert die Regisseurin immer wieder verrauschte Aufnahmen der ursprünglichen Reise des Vaters in den Film, der mit seiner Familie eigentlich gemeinsam hin wollte. Am Ende sollte ihm das nicht mehr vergönnt sein. Und so ist Honeyjoon zugleich auch eine wunderschöne Erinnerung daran, die begrenzte Zeit, die man auf Erden hat, zu nutzen, um sich auszusöhnen und das Leben zu genießen, ohne dabei aber die Realität aus den Augen zu verlieren.

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