Mel Gibsons Passion of the Christ gehört bereits jetzt zu den umstrittensten Filmen des Jahres. In den Staaten vielfach als eindrucksvoll geschildertes Porträt der letzten zwölf Stunden vor der Kreuzigung Jesu gefeiert, wurde dem Regisseur mindestens ebenso oft vorgeworfen, ein sich in unnötig extremer Brutalität weidendes Machwerk produziert zu haben, das zudem antisemitische Tendenzen schüre. Wer im Vorfeld einen Eindruck gewinnen möchte, ob sich der Kinobesuch lohnt, sollte sich etwas näher mit dem Hintergrund des Regisseurs beschäftigen. Zum Verständnis hilft es bereits zu wissen, dass Mel Gibson einer konservativen fundamentalistischen Strömung der katholischen Kirche angehört, die das zweite vatikanische Konzil ablehnt und damit einem mittelalterlichen Religionsverständnis nachhängt. Auf dem Konzil wurden zum Beispiel die Juden von der Schuld am Tode Christi freigesprochen. Als weiteres pikantes Detail gehört Gibsons Vater zu den hartnäckigen Holocaust-Leugnern. Nun ist Gibson nicht mit seinem Vater gleichzusetzen, eine elterliche Vorprägung wird aber nicht ausgeblieben sein, insbesondere weil sich Gibson von seinem Vater bislang nicht öffentlich distanziert hat.
Doch auch ein Blick auf die von John Debney (Elf) komponierte Filmmusik verrät viel über den Geist des Filmes. Sie will mit ihrem wuchtigen Schlagwerk und dem hemmungslos übertriebenem Pathos des Chores beeindrucken. Doch wer hinter die Oberflächenreize blickt, erkennt eine im Grunde substanzarme in manchem sogar ungelenke Komposition. Das Ärgerliche ist dabei weniger die offenkundige Manipulation des Hörers/Zuschauers (quasi jede Filmmusik manipuliert den Zuschauer), sondern die plumpe Art und Weise, mit der diese versucht wird. Die fehlende Ambition und Subtilität des Filmes überträgt sich damit gleichzeitig auf die Musik. Natürlich darf man nicht den Fehler begehen und – wie zum Teil im Feuilleton mancher Zeitung geschehen – Debneys Arbeit mit den großen Kirchenmusiken von Bach und Händel vergleichen. Doch auch in den Grenzen der filmmusikalischen Betrachtung bleibt die Musik erstaunlich blass.
Die Vertonung stellt zwar einen überraschenden wie ungewöhnlichen Karriereschritt für John Debney dar, zu einer originellen oder besonders ambitionierten Arbeit wird sie deshalb aber noch lange nicht. Der Komponist mischt lediglich atmosphärisch-kollagenhaftes ethnisches Kolorit im Stile Peter Gabriels Passion und dem Gladiator (2000) nahestehende Rhythmik samt Vokalisen mit dem bereits erwähnten hymnenartigen Pathos der wortlosen Choräle. Auch wenn es durchaus stimmungsvolle Passagen gibt, erscheint das Ergebnis eher banal denn überzeugend. Besonders enttäuschend mutet die musikalische Antwort auf Kreuzigungs- und Wiederauferstehungsszene an. In „Crucifixion“ fällt dem Komponisten abseits des bereits beschriebenen wuchtigen Bombasts nichts ein (Man vergleiche hier nur mit der Brillanz von Alfred Newmans gleichnamigen Stück in dessen Partitur zu The Robe – Das Gewand). Schlimmer noch ist die Vertonung der Wiederauferstehung Jesu. Erlösung und Freude kommen in Gibsons fragwürdigem Religionsverständnis nicht vor und finden deshalb auch keine musikalische Entsprechung.
Vor allem thematisch bleibt die Musik hinter den Erwartungen zurück. Mit Ausnahme des recht schönen Themas in „Mary goes to Jesus“ bleibt kaum etwas hängen. Von der göttlichen Inspiration, die Debney eigenen Interviews zufolge, beim Komponieren verspürt haben will, ist kaum etwas zu hören. Der Komponist hat zusätzlich von der Präsenz des Leibhaftigen höchstpersönlich und einem lutheranisch anmutenden Kampf gegen diesem während seiner Arbeit berichtet. Wenn man so ein albern-unseriöses Gewäsch mal ernst nehmen möchte, könnte man beim Hören der CD ketzerisch fragen, ob da der Teufel nicht letztlich doch gesiegt haben könnte.