Marriage Story – Randy Newman: „Fast verlorene Liebe“

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Am Anfang von Marriage Story steht eine große Liebe: Der New Yorker Theaterregisseur Charlie (Adam Driver) und die Schauspielerin Nicole (Scarlett Johansson) erzählen sich in verspielten Monologen, was sie am jeweils anderen schätzen. Beide Perspektiven strotzen nur so voller Zärtlichkeit. Sie zeugen von einer Nähe, Wärme und Vertrautheit, wie sie nur ein Paar entwickeln kann, das schon sehr lange zusammenlebt und sich in- und auswendig kennt. Doch so, wie Noah Baumbach seinen Film mit diesen Montagen eröffnet, ahnt man bereits: Das alles klingt viel zu gut, um wahr zu sein. Und tatsächlich folgt alsbald ein harter Schnitt in das nüchterne Büro eines Scheidungsanwalts, in dem das Paar mit sich und dem, was da noch kommen wird, hadert. Der Jurist hatte ihnen die Aufgabe gegeben, die Monologe in Briefform aufzuschreiben, um die bevorstehende Trennungsphase zu erleichtern. Doch Nicole weigert sich, ihren Brief vorzulesen. Damit fällt der Startschuss zu einem äußerst schmerzhaften Scheidungsverfahren, in dem die ursprüngliche Absicht, sich gütlich zu einigen, zwangsläufig ein frommer Wunsch bleiben muss. Dies liegt auch an den von Nicole und Charlie eingesetzten Anwälten (famos: Laura Dern und Ray Liotta), die ihre eigene Agenda verfolgen und den Streit in ungeahnter Form eskalieren lassen.

Marriage Story ist ein klassischer Ensemblefilm, der mit feinem Humor und tief empfundener Melancholie die Geschichte einer Ehe erzählt, die sich überdauert hat, auch wenn die Liebe noch nicht vollständig erloschen ist. Dem überraschend fairen Drehbuch gelingt das Kunststück, sich auf keine Seite zu schlagen. Mal sympathisiert man mehr mit Nicole, mal mehr mit Charlie. Klassische Gut-und-Böse-Zuordnungen funktionieren hier nicht. Stattdessen porträtiert Noah Baumbach die komplexe Beziehung in all ihren Schattierungen. Dazu gehört auch, dass das, was beide einst verband, mitunter wieder aufflammt: etwa wenn sie ihm nachts um Hilfe bittet, eine defekte Torschaltung zu reparieren und im Anschluss noch ein letztes Mal liebevoll die Haare schneidet. Doch diese Momente der Rückbesinnung und erneuten Annäherung währen nur kurz. Vor Gericht wird mit harten Bandagen um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn Henry gekämpft. War man sich gerade noch nahe, zerren die Anwälte plötzlich auf äußerst schmerzliche Weise jede vermeintliche Verfehlung ans Tageslicht.

Solche bitteren Momente haben in der Oscar-nominierten Filmmusik von Randy Newman allerdings keinen Platz. Der Altmeister überrascht mit einer völlig aus der Zeit gefallenen Vertonung, die auf elektronische Sounds komplett verzichtet. Es spielt allein ein etwa 40-köpfiges Kammerorchester. Im typischen Newman-Idiom umschmeichelt die Musik den Film mit lyrischen Melodien, ohne – was man vielleicht angesichts der sich in der Handlung auftuenden Abgründe erwarten könnte – jemals ins Dissonante oder Schwermütige zu verfallen. Die Musik unterstreicht stattdessen, was die beiden Hauptfiguren miteinander verbindet. Sie untermalt fast ausschließlich diejenigen Szenen, in denen die einstige Liebe nochmals aufscheint. Entsprechend erlauben auch die beiden Kollagen-Sequenzen zu Beginn (What I Love About Nicole, What I Love About Charlie), der Musik in einem besonderen Maße aufzublühen und mit bittersüßer Wehmut zu zeigen, was unwiederbringlich zwischen Charlie und Nicole verloren gegangen ist.

Wie hier Streicher, Klavier und Holzbläser die Erzählungen umschmeicheln, das offenbart einen verklärten Romantizismus, der in seiner Lieblichkeit im ironischen Widerspruch zu all den hässlichen Begleiterscheinungen der Trennung steht. Doch dahinter verbirgt sich im Grunde ein kluger Gedanke: Sosehr sich Charlie und Nicole auch streiten: Newman erinnert auf musikalischer Ebene an Menschlichkeit und die Hoffnung auf Wiederannäherung – gleichzeitig ein cleverer Vorbote des Filmendes. Ganz nebenbei steckt darin natürlich auch ein großes Stückchen Kino-Nostalgie: So wie das Paar in Marriage Story wehmütig zurück auf die einstige Liebe blickt, präsentiert sich auch Newman mit seiner im besten Sinne altmodischen Komposition rückwärtsgewandt. Da erinnert vieles noch einmal an die lyrisch-melodramatischen Filmmusiken der 80er- und 90er-Jahre, wie sie damals von Komponisten wie Georges Delerue geschrieben wurden. Noch eine Ära, die eigentlich schon lange vorbei ist.

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