Marnie – Bernard Herrmann (Neueinspielung)

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Marnie war die letzte reguläre Filmmusik, die Bernard Herrmann für Alfred Hitchcock komponiert hat. Die zwei Jahre später entstandene Partitur für Torn Curtain wurde von Hitchcock abgelehnt und an seine Stelle trat der Engländer John Addinson. Doch zurück zu Marnie: Als Herrmann im Januar 1964 die Arbeit am achten gemeinsamen Spielfilm mit Hitchcock begann, stand seine Ehe mit Lucille Anderson, ausgelöst durch die häufigen schlechten Launen und die Selbstversunkenheit des Komponisten in einer dauerhaften Krise. Diese Tatsache dürfte nicht unwesentlich zu der Intensität und inneren Spannung beigetragen haben, die die Partitur zu Marnie auszeichnet.

Die Musik spiegelt in den zentralen Themen die Ängste und Phobien, unter denen Marnie (Tippi Hedren) leidet, wider, konzentriert sich aber auch auf ihre romantische Seite. Die „Prelude“ mit den furiosen Streichern zu Beginn, Spiegel von Marnies Angstzuständen, weicht schnell einem lyrischen Streicherthema, welches ihrer sanften Seite entspricht. Das zweite wichtige Thema, das Liebesthema des Filmes, wird in „The Storm“ eingeführt und untermalt die Kuss-Szene zwischen Hedren und Connery. Beide Themen werden in virtuosen Variationen immer wieder aufgenommen und weiterentwickelt. Es gibt eine ganze Reihe von Höhepunkten, etwa „The Pool“ oder eines der schönsten Stücke der Komposition, „The Hunt“, in dem die Hörner mit dem Marnie-Thema in ein faszinierendes Wechselspiel treten.

Die vorliegende Einspielung besteht aus 41, teilweise sehr kurzen Stücken, die dem Hörvergnügen jedoch keinerlei Abbruch tun, weil sie erstaunlich gut ineinander fließen. Sie ist Teil einer inzwischen stetig wachsenden Reihe von hervorragenden Herrmann-Aufnahmen mit dem Royal Scottish National Orchestra, dirigiert von Joel McNeely. Die neue Einspielung erlaubt einen interessanten Vergleich zu der Marnie-Suite auf dem Salonen-Sampler von 1996 (Bernard Herrmann – The Film Scores), deren Aufnahme klang- und spieltechnisch etwas über der von McNeely liegt. Trotzdem ist die Varèse-Fassung nicht nur als erste Einspielung der gesamten Musik überhaupt eine sehr empfehlenswerte Veröffentlichung und eine willkommene Ergänzung jeder Filmmusiksammlung. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich Herrmanns Ehefrau während der Aufnahmen der Originalmusik im März 1964 von ihrem Ehemann trennte und später scheiden ließ. Anders als für das Filmpaar Marnie und Mark gab es für Herrmann im wahren Leben kein Happy End.