Chance und Risiko können eng beieinander liegen, wie John Ottmans Musik zum neuen Superman-Film beweist. Der junge Komponist tritt mit seiner Vertonung nämlich in die Fußstapfen von niemand Geringeren als John Williams, der 1978 die bis heute wohl populärste Superheldenmusik schuf und dessen Themen auch für die Neufassung der Comicverfilmung maßgeblich waren. Wie schwer es sein kann, Filmmusik-Klassikern ein neues, zeitgemäßes Gewand zu geben, das mussten zuletzt Michael Giacchino mit dem dritten Mission: Impossible-Teil und Christophe Beck mit dem missglückten Pink Panther-Remake leidvoll feststellen. Bei beiden handelt es sich zwar um ordentliche, solide Musiken. Sie stehen jedoch merklich im Schatten der jeweils übergroßen Originale.
So verwundert es kaum, dass John Ottman sich angeblich wochenlang mit Alpträumen im Bett hin- und hergewälzt hat, wie er jüngst in einem Interview gegenüber dem Fan-Magazin „Ain’t it cool news“ verlauten ließ. Die Last auf den Schultern sei wie die Angst, mit der neuen Musik den Löwen zum Fraß vorgeworfen zu werden, immens gewesen. Letztendlich habe er sich aber von dem Druck befreien können und sei Superman Returns wie jeden anderen Film auch angegangen. Tatsächlich ist es ihm besser als Giacchino und Beck gelungen, eine Hommage an das Original mit neuen, eigenen Ideen zu verbinden. Anders als viele Superhelden-Musiken dieser Tage bleibt seine Komposition dabei wohltuend sinfonisch und verzichtet weitgehend auf elektronische Elemente.
Gleich mehrere Williams-Themen aus dem 1978er-Film hat Ottman aufgegriffen: Der berühmte Marsch, das Liebesthema, sowie Familien- und Krypton-Motive erklingen in neuem Gewand. Sie sind reizvoll in eine üppige, satte Klangsprache eingebettet und werden zum Teil sehr ansprechend variiert. Doch anders als Giacchino und Beck in den oben erwähnten Remakes setzt Ottman auch eigene Akzente: neue Themen für Superman bzw. seinen Sohn (entsprechend jeweils im Zusammenspiel von Celli/Klavier bzw. „kleiner“ von Klarinette/Celesta gespielt), ein neues Motiv für Lois, ein Blechbläser-Motiv für den Bösewicht Lex und eine heroische Fanfare (erstmals zu hören am Ende von „Rough Fight“) ergänzen das thematische Material. Auch wenn Ottmans melodische Einfälle den Williamschen Vorbildern nicht ganz das Wasser reichen, werden sie organisch mit den alten Themen verknüpft und sorgen so für die nötige Frische, um die Musik nicht in die Nähe einer reinen Williams-Kopie abgleiten zu lassen.
Als besondere Stärke der neuen Superman-Komposition erweist sich die ausgewogene Musikdramaturgie, die viel Raum für ausgeprägte romantische Stücke lässt – intime Momente, in denen schwelgerische Streichermelodien und delikate Instrumentsoli erklingen. Auch das wortlose Raunen des Chores benutzt Ottman als wohldosiertes Stilmittel. Wo sich John Powell im dritten Teil der X-Men in einem lärmenden, überkandidelten Actionfeuerwerk verliert, bleibt Superman Returns angenehm zurückhaltend. Da verzeiht man auch gerne die mitunter leicht stereotype Abhandlung der obligatorischen Actionsequenzen, in denen Ottman mit Schlagwerk und Blechbläsern gängigen Williams-Standards der letzten Jahre folgt.
Naturgemäß hält sich der Neuheitswert einer so eng mit dem Original verbundenen Musik in Grenzen. Doch Ottman hat sich achtbar aus der Affäre gezogen und eine unterhaltsame wie attraktive Partitur für die Rückkehr des „Mannes aus Stahl“ geschaffen. Die vorzügliche Aufnahmetechnik, die die Musik sehr transparent und kraftvoll klingen lässt, rückt Ottmans Vertonung in ein attraktives Licht. Das PC-Bonusmaterial (drei Film-Trailer zum Film sowie ein kurzes „Behind the Scenes“-Feature) rundet diesen Eindruck positiv ab. Chance genutzt, Mr. Ottman. Die Löwen müssen ihren Fraß woanders suchen.