Arn – Der Kreuzritter – Tuomas Kantelinen: „Schmachten im 12. Jahrhundert“

Veröffentlicht von

Im Fahrwasser von Ridley Scotts Königreich der Himmel kam 2007/2008 mit Arn – Tempelriddaren und der Forstsetzung Arn – Rikett vid vägens slut ein aufwändiges zweiteiliges Historienabenteuer in die schwedischen Kinos, das sich der gleichen geschichtlichen Epoche, dem Zeitalter der Kreuzzüge und dem Kampf der Tempelritter gegen den Sultan Saladin um die Vorherrschaft über Jerusalem im 12. Jahrhundert, widmete. Doch anders als Scotts Film gelangte Arn in Deutschland nie in die Kinos und wurde unter dem Titel Arn – Der Kreuzritter direkt auf DVD (und später Blu-ray) veröffentlicht. Bei den Fassungen muss man allerdings aufpassen. Arn gibt es nämlich in zwei Versionen: Von den Kinofilmen wurde in Deutschland leider nur der erste veröffentlicht, der relativ offen endet. Ganz anders im Heimatland: Aufgrund des großen Erfolges entstand eine 6-teilige Miniserie fürs Fernsehen, die beide Kinofilme vereint, und später auch in Deutschland veröffentlicht wurde. Wer also hierzulande in den Genuss der vollen Geschichte kommen möchte, sollte zur TV-Fassung greifen, muss dabei allerdings in Kauf nehmen, dass der Erzählfluss immer wieder ins Stocken gerät, weil für die intendierten Werbeblöcke abgeblendet wird – eine Unart aus der Zeit vor dem Durchbruch der großen Streaming-Portale.

Vielleicht liegt es genau daran, dass Arn – obwohl fürs Kino konzipiert – doch sehr fernsehhaft wirkt und frappierend an andere üppig ausgestatteten Miniserien jener Jahre wie Die Säulen der Erde oder Die Pilgerin erinnert. Die melodramatische Handlung ist ähnlich episch angelegt, ohne je wirklich in die Tiefe zu gehen. Die Erzählung beginnt mit der Kindheit von Arn Magnusson im südwestschwedischen Västergötland, in der der Junge eines Tages von einem Gerüst stürzt und ins Koma fällt. Seine Eltern schwören Gott, ihren Sohn in ein Kloster zu geben, sollte er den Fall überleben. Und so kommt es, dass Arn bei Zisterzienser-Mönchen aufwächst und man ihn – weil er dafür großes Talent zeigt – an Schwert und Bogen ausbildet. Als junger Erwachsener verlässt er das Kloster und verliebt sich prompt in die bildhübsche Cecilia (Sofia Helin, bekannt aus Die Brücke): Doch nach einem bösen Eifersuchts-Komplott, angezettelt von Cecilias Schwester, wird das junge Liebesglück jäh zerstört. Cecilia muss zur Strafe ins Kloster, Arn wird als Kreuzritter nach Jerusalem entsandt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird hingebungsvoll gelitten und geschmachtet. So sehr, dass das historische Setting (offenbar anders als in der vier Bücher umfassenden Romanvorlage von Jan Guillou) trotz zahlreicher Bezüge etwas in den Hintergrund rückt.

Zumindest zwei verbürgte Schlachten gegen Saladin werden aber aufgegriffen: Die Schlacht von Monsigard 1177, in der der Sultan von Ägypten und Syrien noch scheiterte und zehn Jahre später die für ihn siegreiche Schlacht von Hattin, bei der Saladin das von den Christen als heilige Reliquie mitgeführte Kreuz eroberte und mit der schließlich die 88-jährige christliche Herrschaft über Jerusalem endete. Doch leider erwacht diese schillernde Geschichtsepoche in Peter Flinths Filmen nicht zum Leben, weil das Drehbuch trotz epischer Lauflänge allein die Perspektive des von seiner Geliebten getrennten Kreuzritters einnimmt. Über das Jerusalem des zwölften Jahrhunderts erfährt der Zuschauer nur wenig und der Alltag in der geschichtsträchtigen Stadt ist kaum einmal zu sehen. Diese fehlenden Schauwerte wären vielleicht kein Problem, wenn die Figur des Titelhelden interessanter wäre. Doch Arn wird als nahezu unbesiegbarer und moralisch über jeden Zweifel erhabener Ritter und Kriegs-Stratege gezeichnet. Gleichzeitig erfüllt sein „Gegenspieler“ Saladin, dem Arn bei der ersten Begegnung in der Wüste das Leben rettet, das abgenutzte Klischee des edlen Wilden – ein Alter Ego des Helden, das lediglich auf der falschen Seite steht.

Der parallele Handlungsstrang der daheim darbenden Cecilia wird ebenfalls von Klischees bestimmt: Unterjocht von der herzlosen Oberschwester Rikissa (die aus Bergman-Filmen bekannte Bibi Andersson) wartet sie treu ergeben auf die versprochene Rückkehr ihres Liebsten. Doch die unvermeidbaren Folgen von Folter, Askese und Einzelhaft gehen an ihr spurlos vorüber. Als Arn tatsächlich nach vielen Jahren zurückkehrt, empfängt sie ihn, äußerlich um kaum einen Tag gealtert. Und auch die einstige Liebe entflammt ohne große Entfremdung vom Neuen. Die Handlung könnte an dieser Stelle zu einem Happy End finden. Davon kann aber keine Rede sein, denn in der Heimat stehen die Zeichen längst auf Krieg. In der finalen Schlacht geht es um die Vorherrschaft über Västergötland. Nach dem Vorbild der Schlacht bei Lena (1208) treten Schweden und Norweger gegen die übermächtig erscheinende dänische Armee an. Diesen militärischen „David gegen Goliath“-Konflikt verklärt Arn zum schwedischen Gründungsmythos und verschiebt damit ein weiteres Mal den Fokus der ausschweifenden Erzählung.

Der Hang zum oberflächlichen Melodram und Gefühlskino ist auch in der Filmmusik des finnischen Komponisten Tuomas Kantelinen ein bestimmendes Element. Anders als Harry Gregson-Williams, der in Kingdom of Heaven Okzident und Orient spektakulär aufeinander prallen ließ, geht es in seiner Musik deutlich elegischer zu. Eine gute Idee ist das aber nur bedingt, weil die Inszenierung ohnehin einen Hang zu oberflächlicher Emotionalität besitzt. Kantelinen stattet die Passionsgeschichte der Hauptfiguren auf der Tonspur mit reizvoller pastoraler Streichermelodik und sakralen Chorälen in den religiös aufgeladenen Momenten aus. Zusammen mit den Bildern drängt die Musik in ihrer Statik aber leider etwas zu sehr in Richtung trivialem Gefühlskino und weiß der Handlung außer gefälligem Wohlklang nur wenig hinzuzufügen.

Überraschenderweise funktioniert die Komposition autonom gehört deutlich besser. Da schwelgt die Musik in einer üppigen Klangpracht, die berührt. Wunderschön das orientalisch angehauchte Thema für die Tempelretter („Templars Theme“) oder das sehnsüchtige Liebesthema („Love Theme 1“). Erstaunlicherweise stehen sogar die feurigen Orientalismen (wie die packende „Desert Chase“) und die ätherischen Vokalisen ohne großen stilistischen Bruch neben den sakralen Chorgesängen. Einziger Schwachpunkt der Musik ist ihre gewisse Kurzatmigkeit. Kaum ein Stück ist länger als zweieinhalb Minuten. Kantelinen bekommt selten einmal die Gelegenheit, einen längeren dramaturgischen Bogen zu spannen und seine Themen zu entwickeln. Dadurch fehlt der Musik zwangsläufig der große epische Gestus. Man kann natürlich nur spekulieren, woran das liegt, aber der Gedanke liegt nahe, dass in der Postproduktion frühzeitig der Rhythmus der späteren TV-Ausstrahlung berücksichtigt werden musste. Nicht zuletzt sorgen aber auch die parallelen Handlungsstränge für ein ständiges Hin- und Herspringen zwischen den Schauplätzen und damit entsprechende Stilwechsel in der Filmmusik.

Auch wenn Arn in seiner Heimat mit einigem Erfolg lief, blieb die internationale Vermarktung der aufwändigen Produktion offenbar hinter den Erwartungen zurück. Das zeigt sich auch darin, dass neben den fehlenden Kinostarts nur die Filmmusik zum ersten Kinofilm auf CD veröffentlicht wurde. Dass das mal anders gedacht war, lässt der Abspann-Song des zweiten Teils erahnen. Der stammt von der viel zu früh verstorbenen Roxette-Sängerin Marie Fredriksson (1958-2019) und sollte dem Projekt offenbar Breitenwirkung und Pop-Glanz verleihen. In Schweden mit Erfolg, der Song wurde sogar zum Nummer 1-Hit. Doch welche Ironie – die Abspannsongs beider Filme – sind in der Fernsehfassung überhaupt nicht mehr enthalten. In gewisser Weise ist dieser halbherzige Umgang mit dem Werk aber vielleicht auch symptomatisch für eine Produktion, die viel Aufwand für ein bisschen Herzschmerz und ein aseptisches Mittelalter-Bild betreibt, dabei aber nie wirklich zu fesseln vermag. Die prominente Besetzung (neben Sofia Helin: Stellan Skarsgård, Vincent Perez und Simon Callow) wird hier völlig verschenkt. Das Beste an Arn bleibt am Ende die Filmmusik von Tuomas Kantelinen. Die Bilder dazu lässt man aber lieber im Kopf entstehen.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.