A.I. – Artificial Intelligence – John Williams

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Können wir einen Roboter wie einen Menschen lieben? Dieser philosophischen Frage geht Steven Spielberg in seinem neuen Film A.I. – Artificial Intelligence nach. Die Idee zu dem Stoff geht auf den Kultregisseur Stanley Kubrick zurück, mit dem er zu Lebzeiten befreundet war. Kubrick hatte vor seinem Tod über Jahre an dem Projekt gearbeitet, es aber letztlich nie realisiert. Seine Vision hat Spielberg nun aufgegriffen und in die Tat umgesetzt. Allerdings mit durchwachsenem Erfolg. Den US-amerikanischen Kritiken zufolge trägt A.I. die Handschrift beider Filmemacher, die unterschiedlicher wohl kaum sein könnte. „2001 trifft auf E.T.“ könnte man polemisch vermuten und vielleicht steckt in dieser Aussage sogar ein Funken Wahrheit. Die bisherigen Kinozuschauer zeigten sich nämlich überwiegend verwirrt vom heterogenen Eindruck des Gesehenen. Sie lobten indes aber auch, dass der Film viele essentielle und diskussionswürdige Fragen aufwerfe.

Doch welchen Einfluss hatte die Kombination der kreativen Köpfe Spielberg und Kubrick auf die Filmmusik von John Williams? Indem internationale Feuilletonisten seinen Beitrag vielleicht schon aus Gewohnheit niederschrieben, griffen sie zweifellos zu kurz. Der ungewöhnliche Charakter des Filmes hat sich auch auf die Musik ausgewirkt und so muss man schon weit in die Vergangenheit blicken, um Ähnliches zu finden. Die kühle Ausstrahlung und die Einflüsse moderner Musik erinnern noch am ehesten an Close Encounters of the third Kind, jener innovativen Tonschöpfung, die Williams 1979 schrieb.

Auch wenn A.I. kein vergleichbarer Meilenstein ist, wirkt die Musik dennoch überraschend frisch und unkonventionell. Die kalte Atmosphäre der „Mecha World“ mit ihren Robotern findet in der Komposition von Williams eine Entsprechung. Transparente wie atmosphärische Klangfarben und dezente Einflüsse der musikalischen Avantgarde mischen sich mit Williams-typischem Einsatz von Blech und Streichern. Besonderer Bezugspunkt der von Williams verwendeten Minimalismen sind dabei die Tondichtungen von John Adams. Anders als in der sperrigen Vertonung zu Close Encounters fließen aber schnell auch wärmere Klänge mit ein. Diese kumulieren im schönen „Liebes“-Thema der Partitur (Basis des soften Filmsongs von Lara Fabian) und den betörenden Vokalisen der Sängerin Barbara Bonney. Doch immer wieder durchsetzen düster-dramatische Passagen die Komposition und machen die Gegensätze in der Inszenierung hörbar. Es ist dabei ein Beweis der Klasse des Komponisten, dass die musikalische Zweiteilung derart überzeugend funktioniert.

Während des ungeduldigen Wartens auf den nächsten Harry Potter-Soundtrack von Williams wurde A.I. bei vielen Filmmusikfreunden seinerzeit weniger stark wahrgenommen. Das erscheint ungerecht. Denn die Vertonung der Bestseller-Verfilmung wird sich aller Voraussicht nach auf genau dem vertrauten Terrain bewegen, welches A.I. erfreulicherweise weitgehend vermeidet. Wer hier kein Ohr riskiert, dem entgeht eine der interessantesten und ungewöhnlichsten Williams-Kompositionen in dessen Spätwerk.