Something Wild – Aaron Copland

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Die Pfade von Filmmusikveröffentlichung sind mitunter verschlungen. Verloren geglaubte Aufnahmen werden in falsch beschrifteten Kartons wiedergefunden (vgl. Hawaii). Andere wiederum sind Feuer oder Aufräumaktionen zum Opfer gefallen (und müssen dann mühsam im Falle einer Neueinspielung rekonstruiert werden). Im Falle von Aaron Coplands Something Wild (1960) war es eine noch eingeschweißte LP, die der vorliegenden CD von Varèse Sarabande als Basis diente, denn auch hier müssen die Originale als verloren gelten. Das düstere Drama erzählt von einer College-Studentin in New York, die nach einer Vergewaltigung versucht, das schlimme Ereignis zu verarbeiten und beinahe daran scheitert.

Für die Musik wurde Aaron Copland verpflichtet, der insgesamt nur acht Filmpartituren geschrieben hat. Seine Arbeit zu Something Wild hat wenig mit der fröhlich ausschwingenden Americana zu tun, mit der er im Konzertsaal Berühmtheit erlangte. Auch die auf der Kompilation Celluloid Copland präsentierten Suiten weisen nur eine entfernte Verwandtschaft zu dieser Musik auf. Vielmehr ist eine Nähe zu der modernistischen Tonsprache eines Alex North spürbar. Dies liegt vor allem am ernsten Thema des Filmes. Die innere Zerrissenheit der Protagonistin, ihre Verlorenheit in der Großstadt, spiegelt Copland mit einer herben, perkussiven Sinfonik, die von schroffen Dissonanzen geprägt wird. Copland sah seine Musik dabei als Ergänzung zur natürlichen Geräuschkulisse der Stadt wie Verkehrslärm, Baustellen etc. Er hatte eingesehen, dass er diese nicht würde übertönen können.

Die wenigen tonalen Oasen warten mit mollgefärbten Streichermotiven auf, die oftmals in hohe, fast schrille Tonlagen vordringen und damit die Depression und Verzweiflung der vergewaltigten Schülerin hörbar werden lassen. Es gibt nur wenige leichte Momente, etwa wenn das Mädchen in „Escape through the City“ vor ihrem Freund in die Stadt flieht. Mit jazzigen Passagen begleitet Copland die Flucht, die in der „Erlösung“ mit romantischen Streicherklängen und lyrischem Spiel der Holzbläser noch am ehestens an seine typische Americana denken lässt.

So spröde die Partitur am Anfang auch wirken mag: Mit der detaillierten und abwechslungsreichen Orchestrierung gelingt es Copland vorzüglich, die Psyche der Hauptfigur, deren Seelenlandschaft sich im hektischen, kühlen Großstadtchaos symbolhaft nach außen kehrt, auszuleuchten. So ist Something Wild bei allem Focus auf das Innenleben des Opfers auch eine kleine – freilich ernüchterte – Großstadtsinfonie.

Da es zum Kinostart 1961 keine Veröffentlichung der sperrigen Musik gab, verarbeitete sie Copland zu seinem Konzertwerk „Music for a Great City“ weiter. Bis zu ihrem erstmaligen Erscheinen hat es nun ganze 42 Jahre gedauert. Der Dank gebührt den Bemühungen des Labels Varèse Sarabande, welches mit dieser Musik zwar kein eingängiges, aber deshalb keinesfalls ein angestaubtes Werk des berühmten amerikanischen Komponisten zutage gefördert hat. Vielmehr handelt es sich hier um eine hochinteressante und wichtige Veröffentlichung, die sich allerdings weniger an den Einsteiger als an den erfahrenen Hörer richtet. Dieser erhält eine faszinierende modernistische Filmmusik, die in Anbetracht der Quelle erstaunlich gut klingt, wobei natürlich kleine altersbedingte Einschränkungen gemacht werden müssen. Das ausführliche Booklet rundet die wertvolle und vorbildliche Edition ab.