Iron Man – Ramin Djawadi: „Mit Autopilot in den Franchise“

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Als Marvel 2008 nach einigen Flops sein sogenanntes „Marvel Cinematic Universe“ startete, um mehr Kontrolle über die Comic-Verfilmungen zu erhalten, konnte niemand ahnen, dass daraus mal ein populäres milliardenschweres Franchise mit Dutzenden Filmen werden würde. Und zu Beginn sah es auch gar nicht danach aus. Den Anfang machte nämlich eine bis zum damaligen Zeitpunkt weniger bekannte Figur des Marvel-Universums, die in den USA neben den Comic-Vorlagen nur als Zeichentrickserie für Kinder bekannt war: Iron Man. Robert Downey jr. spielt die Rolle des selbstverliebten Tony Stark, skrupelloser Chef einer Rüstungsfirma, der in Afghanistan in Gefangenschaft gerät und von Terroristen gezwungen wird, eine seiner gefürchteten Raketen-Waffen nachzubauen. Doch anstatt den Wunsch der Extremisten zu erfüllen, schmiedet er heimlich eine eiserne Rüstung, die ihm spektakulär zur Flucht verhilft. Geläutert von dieser Erfahrung stellt Stark sei Verhalten zunehmend infrage. Downey jr. agiert dabei mit entwaffnendem, selbstironischen Charme. Es ist ein großes Vergnügen, ihm bei seiner Wandlung vom Saulus zum Paulus zuzusehen. Zwangsläufig werden bei dieser charismatischen One-Man-Show aber alle anderen Figuren, wie der von Jeff Bridges gespielte Antagonist, der die Herrschaft über Stark Enterprises erlangen will oder Starks Assistentin (Gwyneth Paltrow) zu puren Stichwortgebern.

Doch so sympathisch die Figuren sind, so schlecht ist Iron Man inhaltlich gealtert: Dass die kritischen Fragen der Journalistin Leslie Bibb (Christine Everhart) zu den Folgen des Waffenhandels nach einem harten Schnitt unbeantwortet in einem One-Night-Stand münden, wirkt aus heutiger Sicht geradezu befremdlich. Noch schlimmer wiegt das Afghanistan-Setting, in dem die USA einmal mehr als Weltpolizei inszeniert wird. Spätestens seit dem NATO-Rückzug 2021 (den der Film natürlich nicht vorausahnen konnte), lädt dieser Subplot nur noch zum Fremdschämen ein. Besonders ärgerlich ist in diesem Zusammenhang auch das grotesk überzeichnete Bild der Terroristen als tumbe Knallchargen, die trotz Videoüberwachung über mehrere Monate nicht merken, dass Stark heimlich an seinem eisernen Anzug werkelt.

Viel kritisiert wurden die frühen Marvel-Filme auch für ihre Filmmusiken. Tatsächlich ist es im Rückblick absolut erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit der Tonspur geschenkt wurde. Mit Ramin Djawadi verpflichtete man für Iron Man (drei Jahre vor dem Start von Game of Thrones) einen zum damaligen Zeitpunkt absoluten Newcomer. Weil John Debney, mit dem Favreau sonst regelmäßig zusammengearbeitet hatte, nicht zur Verfügung stand, wurde die Musik-Produktion komplett in die Hände von Hans Zimmers Remote Control Production gelegt, dessen Team Djawadi damals noch angehörte. Als Co-Autoren listet der Abspann zusätzlich mehrere Komponisten, darunter Lorne Balfe und Atli Örvarsson. Trotz solcher prominenten Namen ist das Endresultat eine austauschbare, vollkommen gesichtslose Vertonung, wie sie in ihrer Mischung aus Orchestralem und Synthesizer-Sounds, mit Drum-Loops, Streicher-Ostinati und geräuschhaften Effekten in jenen Jahren in sehr ähnlicher Form für zahllose Action-Filme entstand.

Die zentrale konzeptuelle Idee der Musik ist die Verwendung von E-Gitarren als akustische Metapher für den draufgängerischen Lebensstil Tony Starks, dem Vernehmen nach eine Vorgabe des Regisseurs. Das rockige Motiv für Iron Man (Driving with the top down/Iron Man) besitzt zwar den benötigten Drive, um die Handlung voranzutreiben, besitzt aber darüber hinaus nur geringe Strahlkraft. Dass Djawadi in der Lage ist, prägnante Themen zu komponieren, konnte er einige Jahre später mit seinen Serien-Musiken zu Game of Thrones und Westworld unter Beweis stellen. Bei Iron Man ist davon jedoch noch nicht viel zu hören. Es gibt kein markantes Signatur-Thema für das frisch gestartete Franchise (das sollte viele Jahre später erst Alan Silvestri beisteuern) und selbst in der triumphalen heroischen Erweiterung bleibt das Iron Man-Thema ziemlich blass. Bezeichnend ist auch, dass keines von Djawadis Themen von John Debney und Brian Tyler in den jeweiligen Fortsetzungen wieder aufgegriffen wurde. Ein so geringes Bewusstsein für das identitätsstiftende Potenzial einer Filmmusik lässt auf Zeitdruck und große Unsicherheit seitens der Produzenten schließen. Disney besaß damals offenbar noch keine Vorstellung davon, in welche ästhetische Richtung sie sich mit den Marvel-Filmen eigentlich bewegen wollten. Mit Iron Man und dem zahmen Rock-Score von Ramin Djawadi gingen sie mit einer standardisierten, dem Zeitgeschmack verhafteten Vertonung vorsichtshalber den Weg des geringsten Widerstands. Die E-Gitarren und Rock-Sounds wirken dabei wie ein kreatives Feigenblatt – ein nettes Gimmick, das aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass der erste Auftritt von Iron Man filmmusikalisch von der Stange kam.

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