Angels in America – Thomas Newman

Eine Fernsehserie mit guter Besetzung ist keine Seltenheit. Wenn sich in ihr aber hochkarätige Schauspieler wie Meryl Streep, Al Pacino und Emma Thompson tummeln und mit Mike Nichols (Die Reifeprüfung) auch noch ein Regiealtmeister die Verfilmung eines mit dem Pulitzer-Preis gekrönten Theaterstücks übernimmt, dann ist das schon etwas Besonderes. Die sechsteilige HBO-Produktion Angels in America nach dem Drama von Tony Kushner wurde zusätzlich noch mit 5 Golden Globes ausgezeichnet und zählte damit zweifellos zu den hochkarätigsten und ambitioniertesten Fernsehproduktionen des Jahres 2003. Das Ensemblestück spielt während der von dem AIDS-Virus heimgesuchten Reagan-Ära in den 80er Jahren und stellt Sinnsuche und den Umgang mit HIV in seinen Mittelpunkt.

Thomas Newman hat zu der komplexen und vielschichtigen Miniserie eine seiner klangschönsten Vertonungen seit langem geschaffen. Vieles erinnert an seine ähnlich eingängigen Musiken zu Betty und ihre Schwestern (1994), Oscar & Lucinda (1997) und Die Verurteilten (1994) – die warmherzig-einfühlsame Streichermelodik mit lyrisch-verspielten Einwürfen der Holzbläser und des Klaviers etwa. Auch Newman-typische experimentelle Klänge mit dem erneuten Einsatz exotischer Instrumente wie Esraj, Bodrhan oder Dayre dürfen nicht fehlen. Dazu gibt es Frauen-Vokalisen und effektvoll-dramatische Einsätze des Chores zu hören.

Die Elemente sind zwar sattsam bekannt, ihre Reize bezieht die Musik allerdings aus der nuancierten wie feinsinnigen Detailarbeit und dem faszinierenden Kontrast zwischen fremdartig-traumhaften und einfühlsamen Passagen. Ebenfalls gereicht es der Komposition zum Vorteil, dass Newman Chor und Tutti des Orchesters nur sparsam einsetzt und in diesen Momenten damit eine umso größere dramatische Wirkung erzielt. Über allem steht aber die schöne Melodik, die die gesamte Partitur durchzieht. Fast schon zwangsläufig gibt es bei einem über sechzigminütigen Score auch einige rein bildbezogene-atmosphärische Stücke. Doch diese kurzen Durststrecken werden durch eine Reihe abwechslungsreicher Einfälle wieder aufgefangen, die Newman wie schon bei früheren Arbeiten als kleine Miniaturen präsentiert. Das folkloristische irgendwo nach Ost-Europa schielende „Spotty Monster“, die wunderschöne sirenenhafte Vokalise in „Troppause“ oder das kurze requiemhafte „The Infinite Descent“ sind nur drei von vielen Beispielen.

Angels in America kann also ohne Umschweife zwar als typische, aber eben auch als besonders schön gelungene Newman-Musik bezeichnet werden. Thomas Newman variiert das Altbekannte so gekonnt und klangwirksam, das der Vorwurf des Selbstplagiats schnell verhallen dürfte. Schon jetzt zählt Angels in America damit zu den schönsten Höralben des Jahres.