Drei Filme, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: ein im Sumpf der Neonazi-Szene spielendes Drama, eine Flüchtlingsgeschichte in einem rumänischen Dorf und ein verrückter Zirkus aus Spanien. Vielseitiger kann ein Filmfest kaum sein.
Kriegerin (Deutschland 2011)
Den jungen Afghanen bedient Marisa an der Supermarkt-Kasse nicht. Sie gehört einer rechtsradikalen Clique an, die mit erbarmungsloser Härte Ausländer verprügelt – in einer fatalen Mischung aus Verblendung, aufgestautem Frust und Perspektivlosigkeit. Der Regisseur David Wnendt erzählt in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm Kriegerin die Geschichte zweier Frauen, die ältere auf dem Weg aus dem Milieu heraus, die andere zieht es geradewegs hinein.
Filme, die in der rechten Szene spielen, leiden oftmals darunter, dass der Zuschauer nie so ganz beurteilen kann, wie authentisch das Gezeigte tatsächlich ist. David Wnendt hat zwar umfangreiche Recherchen betrieben und zahlreiche Frauen aus dem Milieu interviewt. Doch entspricht vor allem das Bild der männlichen Neonazis in der Realität tatsächlich dem hier gezeigten Bild der dumpfen hasserfüllten Einfalt? Das kann man anzweifeln, muss aber zwangsläufig Spekulation bleiben. Dem ungeachtet inszeniert Wnendt seine Geschichte so präzise wie stilsicher. Es ist aber nicht zuletzt der herausragenden Hauptdarstellerin Alina Levshin zu verdanken, dass der Film über manche Klischees hinweg, derart gut funktioniert. Glaubwürdig verkörpert sie ihren Gesinnungswechsel weg von der rechten Szene und macht das Ringen mit dem eigenen, immer weiter bröckelnden Weltbild allein in ihrem Gesicht ablesbar.
Wnendt nimmt sich gerade am Anfang des Filmes viel Zeit, die Lebensumstände der Figuren darzustellen. Auch die Annäherung Marias an den afghanischen Jungen porträtiert er mit behutsamer Langsamkeit. Es ist diese Ruhe in der Inszenierung, die seine Kriegerin nicht nur zu einem packenden Drama, sondern auch zu einer überzeugenden Milieustudie werden lässt.
Morgen (Rumänien 2010)
Eine ganz andere Geschichte erzählt der rumänische Regisseur Marian Crisan in seinem Debütfilm Morgen. In einer Kleinstadt an der rumänisch-ungarischen Grenze versteckt ein Mann einen türkischen Flüchtling bei sich zu Hause, um ihn vor den Zugriffen der Grenzpolizei zu schützen. Obwohl sie nicht dieselbe Sprache sprechen, entwickelt sich schnell eine ungewöhnliche Freundschaft.
Morgen erzählt mit konsequenter Langsamkeit und leisem Humor von den kleinen Charaden seiner Protagonisten mit den verhassten Polizei- und Zollbeamten an der Grenze. Vielleicht eine Spur zu langsam: Wenn man gefühlte Minuten dabei zusieht, wie Holz gehackt, Brot an einer Maschine geschnitten wird oder einer der Männer einfach nur eine Straße entlang geht, dann ist diese Art der filmischen Entschleunigung doch etwas zu viel des guten – zumal der quasi-dokumentarische Inszenierungsstil, der ohne jegliche Filmmusik auskommt, eher uninteressant wirkt. Doch immerhin: Wenn nach knapp 100 Minuten der Abspann rollt, hat man die schrulligen Charaktere dann doch irgendwie liebgewonnen.
Mad Circus (Spanien 2010)
Dem traurigen Clown Javier sinnt es nach Rache: Am Ende des spanischen Bürgerkriegs wurde sein Vater (ebenfalls Clown) von den Faschisten umgebracht. Dreißig Jahre später entspinnt sich in einem Zirkus eine fatale Dreiecksgeschichte zwischen Javier, einer schönen Akrobatin und dem sadistischen Clown Sergio. La Balada Triste de Trompeta – bei den Filmfestspielen in Venedig mit den Preisen für die beste Regie und das beste Drehbuch ausgezeichnet – ist ein furioser, schriller Genrebastard, der verschiedene Filmtypen zu einer Allegorie auf die spanische Gesellschaft unter Franco verknüpft. So bildgewaltig wie opulent nutzt Regisseur Alex de la Iglesias dabei Elemente des Horror- und Splatterkino, die er mit Versatzstücken aus Geschichts- und Liebesdrama kombiniert und mit der Zirkuswelt als burleskem Rahmen versieht. Wenn die Protagonisten am Ende des Filmes sich mit entstellten Gesichtern zum Showdown gegenüber treten, dann ist auch der Joker aus den letzten Batman-Filmen nicht mehr weit. Keine Frage: Mad Circus ist ein mutiger, gewagter Film, der beim Zuschauer gleichermaßen Kopfschütteln wie Faszination erzeugt, den man kontrovers diskutieren kann und sollte. Aber auch ohne ein abschließendes Urteil zu fällen, erscheint es dennoch ein wenig so, als wenn die visuelle Opulenz dieser filmischen Extravaganz in ihren eskalierenden Gewaltorgien jegliche Symbolkraft und inhaltliche Tiefe gleich mit niederwalzt.