„Stillstand im Block“ – The Cat in the Wall

Die titelgebende Katze in The Cat in the Wall ist ein überdeutliches Symbol für Stillstand und Stagnation. Sie steckt irgendwo hinter einem Boiler in einem Loch in der Küchenwand fest. Die Wohnung mit der Nummer 49 in einem multikulturellen Wohnblock im Südosten von London gehört Vladimir und seiner wortgewaltigen Schwester Irina mit ihrem kleinen Sohn Jojo. Irina arbeitet als Architektin und jobbt, weil das allein nicht ausreicht, zusätzlich abends als Kellnerin in einer Bar. Valdo ist dagegen arbeitsloser Historiker, der sich als Monteur von Satellitenantennen über Wasser hält. Im Gegensatz zu vielen anderen Familien im Block, die von Sozialhilfe leben, gehört ihnen die Wohnung zumindest. Doch selbst das führt zu Schwierigkeiten: Die Baugenossenschaft, die das in die Jahre gekommene Wohnhaus renoviert, legt die horrenden Sanierungskosten von 26.000 Pfund auf die Eigentümer um. Das ist Geld, welches die Familie nicht hat. Und als wären das nicht schon genug Probleme, stehen plötzlich die Besitzer der Katze vor der Tür und fordern vehement das entlaufene Tier zurück.

Die beiden bulgarischen Regisseurinnen Vesela Kazakov und Mina Mileva werfen mit ihrem episodenhaften Film einen ungeschminkten Blick auf ein von Gentrifizierung und Brexit geprägtes Brennpunktviertel. Der Wohnblock der bulgarischen Familie wird hier zu einem Mikrokosmos, in dem Arbeiterklasse, Sozialhilfeempfänger und Migranten in einer Art Schmelztiegel aufeinander treffen. Das Zusammenleben klappt dabei mehr oder minder gut. In der Regel solidarisiert man sich, doch mancher Streit eskaliert zwangsläufig, wie die Frage danach, wem die Katze eigentlich gehört. Mitunter ist die Situation aber auch unerträglich, wenn wieder jemand in den Fahrstuhl gepinkelt hat oder Irina mitten im Winter fassungslos vor einem Loch in der Wand, steht, weil in ihrer Wohnung gerade die Fenster ausgetauscht werden. The Cat in the Wall ist voll von solchen bissigen, teils bitteren Alltagsbeobachtungen. In einer anderen Szene befehlen Polizisten Irina auf Englisch zu sprechen, weil sie sie sonst wegen Behinderung der Justiz mitnehmen würden. Doch selbst unter den Bewohnern gibt es Fremdenfeindlichkeit: Geradezu absurd entwickelt sich ein Streitgespräch, in dem eine Migrantin in zweiter Generation im Streit um die Katze die Familie auffordert, gefälligst dorthin zurückzugehen, wo sie herkommen.

Über weite Strecken wirkt der Film durch seinen liebevollen Sinn für Details geradezu dokumentarisch. Tatsächlich haben Vesela Kazakov & Mina Mileva zuvor in Bulgarien kontroverse Dokumentationen gedreht (für die sie nach eigenen Aussagen beinahe im Gefängnis gelandet wären) und übertragen diesen Anspruch nun gewissermaßen ins Fiktive. Dass das so authentisch wirkt, liegt aber auch daran, dass die Erfahrungen aus erster Hand kommen. Beide Frauen haben selbst viele Jahre in London gelebt und konnten deshalb in The Cat in the Wall ihre eigenen Erfahrungen verarbeiten. Zum Glück sparen sie die ganz großen Härten dabei aus. Dadurch rückt nämlich etwas anderes, Universelles in den Vordergrund: der Blick auf den ganz normalen Alltag von Migranten zwischen Existenzkampf, Xenophobie und der unermüdlichen Suche nach zumindest etwas Lebensglück – auch wenn dieses nur in einer zugelaufenen niedlichen Katze besteht.

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