„Japan – Inseln der Klänge“ –
Takemitsu/Prokofieff/Brahms

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eschenbach
Christoph Eschenbach
© Michael Tammaro

Am Sonntag gab es nun auch in Kiel den Auftakt zum Schwerpunkt des Schleswig-Holsteiner Musikfestivals, das in diesem Jahr unter dem Motto „Japan – Inseln der Klänge“ steht. Im fast vollständig ausverkauften Großen Saal des Kieler Schlosses dirigierte Christoph Eschenbach das aus 22 Nationen so bunt wie hochkarätig zusammengesetzte Festivalorchester durch ein überaus kontrastreiches Konzertprogramm. Dabei gelang den Verantwortlichen zunächst ein Brückenschlag im doppelten Sinne: Mit der viersätzigen Suite für großes Orchester aus Tôru Takemitsus (1930-1996) Vertonung zu Ran (1986), einen der letzten Filme von Regielegende Akira Kurosawa (Die sieben Samurai (1954)), kam nämlich nicht nur ein japanisches Werk, sondern zugleich auch eine vergleichsweise junge Filmmusik zur Aufführung.

Für die meisten Zuhörer war er vermutlich ein Unbekannter. Doch Takemitsu zählt zu den bekanntesten japanischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er war bekennender Filmfan und schrieb deshalb neben seiner Arbeit für den Konzertsaal (die ebenfalls im Rahmen des Festivals vorgestellt wird) rund achtzig Filmpartituren. Dass seine Vertonung für den monumentalen Historienstreifen Ran sich in den elegischen Streicherlinien so sehr nach Mahler anhört, ist kein Zufall. Kurosawa hatte während der Dreharbeiten geradezu eine Obsession für die Sinfonik des Österreichers entwickelt. Dies führte zum Streit zwischen Regisseur und Komponist, dessen Konzept ursprünglich auf Naturklänge und traditionelle japanische Instrumente ausgerichtet gewesen war. Kurosawa behielt jedoch am Ende die Oberhand und trug Takemitsu auf, Mahler zu „überhöhen“. So lieferte die Vertonung in den Schlüsselszenen wie der finalen Schlacht eine spröde Mischung aus markanter Schlagwerkrhythmik, atmosphärischen Kollagen (inklusive Windmaschine) und den Streicherelegien im Stile Mahlers. Das Festivalorchester interpretierte diese besondere Rarität im deutschen Konzertbetrieb als ebenso eindringliches wie faszinierendes Klangerlebnis.

midori
Midori
© Lois Greenfield

Zwangsläufig musste mit Prokofieffs erstem Violinkonzert aus den Jahren 1916/17 ein harter stilistischer Bruch folgen. Das vitale, von ironischen Brüchen und verqueren Harmonien lebende Konzertstück entstand genau in der Übergangsphase zwischen den provokant-ironischen Frühwerken und den späteren neoklassizistischen Werken des Komponisten. Die berühmte japanische Violinistin Midori veredelte das spieltechnisch anspruchsvolle Konzert im Kieler Schloss mit einer äußert feinsinnigen und ausdrucksstarken Darbietung, die das begeisterte Publikum spürbar in ihren Bann zog.

Ähnlich umjubelt wurde nach der Pause auch das dritte und letzte Stück im offiziellen Programm, die vierte Sinfonie von Johannes Brahms. Das vollmundige, kraftvolle wie stets präzise Spiel des Orchesters brachte das Werk auf hohem Niveau zu Gehör. Als Dank spendierte das Publikum tosenden Applaus. Der wurde mit einer langen Zugabe belohnt, den Haydn-Variationen von Brahms, ein Stück, das das Festivalorchester auch auf der direkt im Anschluss folgenden Japan-Tournee aufführen wird. Mit diesem, ebenfalls vorzüglich gespielten Werk, ging ein wunderschöner, edler Konzertabend und damit ein feines Highlight des Festivals zu Ende.

Programm:

  • Tôru Takemitsu (1930-1996) – Ran für großes Orchester
  • Sergei Prokofieff (1891-1953) – Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur, op. 19
  • Johannes Brahms (1833-1897) – Sinfonie Nr. 4 e-Moll, op.98
  • Zugabe: Johannes Brahms (1833-1897) – Variationen über einem Thema von Haydn, op.56a