Interview Mychael Danna

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Der Kanadier Mychael Danna gehört zu den interessantesten Figuren der gegenwärtigen Filmmusik-Szene in Hollywood. Nach einem Kompositionsstudium in Toronto startete seine Karriere in den späten 80er und frühen 90er Jahre mit den Vertonungen zahlreicher Filme des Regisseurs Atom Egoyan (Das süße Jenseits, Exotica, Where the Truth lies, Ararat). Es folgten Arbeiten zu Der Eissturm und Ride with the Devil (Regie: Ang Lee) und zuletzt die Kostümfilme Being Julia sowie Vanity Fair. Markantes Merkmal seiner Arbeiten ist die Integration vielfältiger ethnischer Einflüsse aus fernen Ländern. Zugleich vertont er aber auch immer wieder ur-amerikanische Stoffe wie z.B. The Guys oder Shattered Glass. Anlässlich der neuen Danna-Musiken zu dem Dramen Capote und Water (CD auf Varèse Sarabande) interviewte Mike Rumpf den ambitionierten Komponisten.

CD-Kritik Capote

Ich denke, es gibt eine einfache Richtlinie für alle, die in den unterschiedlichen Bereichen an diesem Film tätig waren: Äquivalent zu Truman Capotes Prosa und Stil zu sein. Dies bildete tatsächlich die Leitlinie für meine Recherchen. Sein Stil ist sehr einfach, klar und anschaulich; tatsächlich täuschend einfach. Es setzt das perfekte Wort an den perfekten Platz ohne Schnörkel. Es ist alles sehr sauber. Das ist das Model, dem ich entsprechen wollte. Die Musik für „Capote“ ist Musik über und aus dem Innern des Menschen, das sich sehr von seiner äußeren Welt unterscheidet. Es ist ein sehr einsamer und leerer Ort. Also musste die Vertonung diese Qualitäten einfangen.

Ich liebe es, in beiden Welten zu arbeiten. Ironischerweise bin ich vermutlich besser bekannt für meine ethnischen Musiken. Mein Hintergrund und Zuhause ist aber die westliche klassische Musik. Mit ihr bin ich aufgewachsen, sie habe ich studiert und gehört. Es ist fantastisch zwischen den Welten zu wechseln. Sie befruchten sich gegenseitig und beide stimulieren die Arbeit in den jeweils anderen Welten.

Viele Ihrer Musiken enthalten Einflüsse aus exotischen Ländern. Wie hat diese Liebe zur ethnischen Musik bei Ihnen angefangen? Sind Sie viel gereist?

Als ich noch in Toronto Musik studiert habe, war das zu einer Zeit als die kulturelle Szene dort geradezu explodiert ist (im positiven Sinne). Toronto ist eine multikulturell erfolgreiche Stadt, in der sich viele verschiedene Gruppen vermischen. Es gibt zahlreiche künstlerische Einflüsse aus Ägypten, die für alle zugänglich sind. Als ich anfing, an der Universität in Toronto Komposition zu studieren, war es sehr einfach, die verschiedenen Arten von Musik-, Tanz- und Kunstformen aus aller Welt aufzusaugen. Toronto ist aber auch weiterhin ein großartiges Modell dafür, wie eine multikulturelle Stadt aussehen kann. Damals war es wirklich das erste Mal, dass ich mit Begeisterung diese Klänge hörte. Das Ergebnis war, dass ich sie schließlich in meine Arbeiten einbrachte.

Meiner Auffassung nach ist „Ararat“ einer der unterbewertesten Filme und Musiken der letzten Jahre. Wie denken Sie über dieses Projekt? Glauben Sie, dass es im Vergleich zu Mainstream-Projekten eine größere Verantwortung ist, einen Film mit einer gewissen politischen Relevanz zu vertonen?

Aufgrund meiner engen Beziehung zu Adam (Atom Egogan), mit dem meine Karriere begann, und weil ich ihn bereits so lange kenne, wusste ich wie viel ihm dieses Projekt bedeutete. Es war ein sehr wichtiger Film für ihn. Da ich ihm also sehr nahe stehe, war es auch für mich eine Herzensangelegenheit. Ich habe diese Arbeit sehr ernst genommen. Wenn man mit Geschichte im Gegensatz zu Fiktion zu tun hat, entsteht die Verpflichtung die Menschen, die diese Geschichte erlebt haben, zu achten und stets zu bedenken, dass es echte Menschen und Kulturen waren bzw. sind. Sie sind lebendig. Ich wollte dies durch die Musik ehren. Ich habe viel Zeit damit zugebracht, die Armenische Musik kennenzulernen und zu studieren. Ich bin vor Ort gereist, um mit armenischen Musikern zusammen zu arbeiten. Es war sehr bewegend dort zusammen mit Adam an Musik aus seinem Kulturkreis zu arbeiten. Es war, als lernte ich ihn auf eine intime Art neu kennen. Einen Chor mitten in der Nacht in einer Kirche aus dem 4. Jahrhundert aufzunehmen war eine unglaubliche Erfahrung. Es ist ein sehr wichtiger Film für mich.

Ihre Musik zu Hulk wurde von den Produzenten abgelehnt. Wie hat es ihre Beziehung zu Ang Lee (dem Regisseur) beeinflusst? Sie haben seitdem nicht wieder mit ihm zusammengearbeitet.

Es hat die Arbeitsbeziehung zwischen uns nicht beeinflusst.

Vor ein paar Jahren haben sie „8mm“ von Joel Schumacher vertont. Das musikalische Konzept ist in seiner Verwendung marokkanischer Folklore sehr ungewöhnlich für einen Thriller. Hatten Sie keine Angst vor dem Vorwurf, arabische Musik mit der Porno-Szene zu assoziieren?

Wenn ich den Film heute vertonen würde, würde ich wahrscheinlich einen anderen Weg wählen, da sich die Welt seit dieser Zeit verändert hat. Aber wir sollten klarstellen, dass es sich um marokkanische Musik handelt. Ich wäre sehr vorsichtig, hier von Arabischer Musik zu sprechen. Es gibt sehr klare Gründe, warum ich diesen Ansatz gewählt habe, die aber alle hundertprozentig musikalischer Natur sind. Marokkanische Musik besitzt eine Neigung zu Tempi, die in der Geschwindigkeit ansteigen. Sie beginnen langsam und verwandeln sich mit der Zeit in eine Art frenetischer Ekstase, vergleichbar einem Strudel. Diese Art der Struktur schien zur Handlung des Filmes zu passen, in der Nicolas Cage als Privatdetektiv in den Strudel der Untergrund-Pornographie gezogen wird. Deshalb war die Entscheidung wirklich eine rein musikalische.

Vor einigen Jahren habe Sie Musik für Nicht-Filmmusikalben à là „A Celtic Tale“ & „A Celtic Romance“ komponiert. Haben Sie Pläne mehr CDs dieser Art zu machen oder Musik für den Konzertsaal zu schreiben?

Ich plane eine Oper zu schreiben, aber die Sache ist derzeit noch nicht spruchreif.

Viele Menschen in der Klassik-Szene betrachten Filmmusik nicht als echte Musik oder Kunst. Wie denken Sie darüber? Wie wichtig ist es Ihnen, Musik zu schreiben, die auch abseits der Bilder bestehen kann?

Die höchste Priorität für Filmmusik ist es, dem Film zu dienen. Das ist nichts Schlimmes. Film ist zum jetzigen Zeitpunkt der Geschichte die mächtigste künstlerische Ausdrucksform. Deshalb ist es weder peinlich noch beschämend, Filme zu vertonen. Das Film-Erlebnis spricht mehrere Sinne an, und Musik spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich möchte gar nicht in einem anderen Bereich arbeiten. Zur Frage, ob die Musik ohne Bilder bestehen können sollte: Ich versuche, die Musik eigenständig zu gestalten und auch eine zufriedenstellende CD zusammenzustellen. Aber das besitzt definitiv nicht die höchste Priorität.

Lesen Sie CD-Kritiken im Netz, sehen Sie viele Filme?

Natürlich lese ich Kritiken und definitiv sehe ich ständig neue Filme.

Können Sie uns etwas über Ihre zukünftigen Projekte verraten?

„Breach“ mit Billy Ray, einer FBI-Agentengeschichte und „Surf’s Up“, ein Animationsfilm von Sony. Das wird sehr viel Spaß machen, weil es für mich eine völlig neue Welt sein wird. Dies sind die einzigen beiden Projekte, über die ich derzeit reden kann.

Mr. Danna, vielen Dank für dieses Interview.