„Ein Sommeralbtraum“ – Rapture

Veröffentlicht von

Auftauchen, einfach nur auftauchen. Auch wenn das unglaublich schwer fällt. Am Anfang von Rapture steht eine traurige Geschichte: Ein schwer lungenkranker Vater, der nur noch wenige Monate zu leben hat, möchte mit seiner 10jährigen Tochter Paula noch einmal viel Zeit verbringen. Während die Mutter aufgrund eines wichtigen Jobs in Südkorea weilt, mietet er für die Sommerferien ein kleines Haus an einem See. Doch die suggestive Bildsprache und die klirrenden Synthesizer-Sounds der effektvollen Filmmusik deuten bereits früh an, dass hier irgendetwas nicht stimmt, neben der Spur läuft – ohne dass es sich zunächst fassen ließe. Seltsam ist hier so einiges: Der verschlagen und schmierig wirkende Bootsverleiher gleitet nachts noch mit seinem Boot über das Wasser. Der nahegelegene Wald wird als bedrohlicher Ort inszeniert, in dem aber dennoch Pfadfinder und Jugendgruppen unterwegs sind und skurrile Schnitzeljagden veranstalten. Das kleine moderne Ferienhaus irritiert mit seinen seltsam angeordneten Bullaugen, die viele Blicke ins Innere erlauben. Und auch der Vater wirkt – es mag an seiner Krankheit liegen – launenhaft. Mal agiert er liebenswürdig mit seiner stillen Tochter, um im nächsten Moment streng auf das Einhalten aufgestellter Regeln zu pochen. Zucker und Fleisch sind bei ihm tabu, Handys ebenso. Paula soll stattdessen die Natur lieben- und kennenlernen. Am liebsten möchte der studierte Biologe seine Tochter ohnehin von der Schule nehmen und selbst unterrichten.

Von dieser Prämisse aus führt der Debütfilm von Angela Ottobah mit jeder Sekunde weiter in das Herz der Finsternis. Rapture entwickelt sich zu einem verstörenden cineastischen Trip, der ein stetig anschwellendes Gefühl des Unbehagens und des Misstrauens erzeugt. Immer seltsamere Dinge geschehen und man sorgt sich immer mehr um das Mädchen, das alleine durch den Wald streift oder im dunklen See Apnoe-taucht. Die Gefahren scheinen überall zu lauern. Filmisch ist das herausragend gelöst. Die Kamera bleibt stets eng an der Figur des Mädchens, ihr verwundbarer Körper steht im Zentrum. Ihre Umgebung wird bewusst überzeichnet, was in seiner Reduktion auf Ort und Figuren durchaus märchenhafte Züge trägt. Die elektronische Filmmusik weckt Assoziationen an die Horrorfilme der 70er Jahre, insbesondere Freitag, der 13., den Rapture gegen Ende zitiert. Besonders gelungen ist das Sound Design, das nicht nur bei der finalen Unterwasser-Sequenz, dem Zuschauer schier die Luft zum Atmen abzuschnüren scheint. Das Unbehagen ist zu diesem Zeitpunkt längst unerträglich geworden. Doch das ist harmlos gegenüber dem, was Paula durchmachen muss. Wie unmittelbar und beinah physisch sich diese lähmende Beklemmung auf den Zuschauer überträgt, macht Rapture zu einem der besten Filme des laufenden Kinojahres. Am Ende ist man froh, wieder aus dem Kinosaal auftauchen zu können, anderes als Kinder wie Paula.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.