Ohne Zweifel: Crimson Peak von Fernando Velázquez ist eine klangschöne Filmmusik, dessen betörendes Cello-Thema (Edith’s Theme) für die Hauptfigur Edith (Mia Wasikowska) begeistert. Doch wer das von Guillermo del Toro in bester Gothic-Horror-Tradition inszenierte Fantasy-Märchen ansieht, ist womöglich erstaunt, wie wenig es der Musik im Zusammenspiel mit den Bildern gelingt, den richtigen Tonfall zu finden. Dabei gäbe die Vorlage einiges her: Crimson Peak ist ein opulenter, visuell überbordender Film, im höchsten Maße stilisiert. Der eigentliche Plot erzählt eine abgründige Liebesgeschichte im 19. Jahrhundert, in der irgendwie auch Geister auftauchen: Die junge Edith gerät nach dem Tod des Vaters in die Hände eines betrügerischen Geschwister-Paares, welches es hauptsächlich auf ihr Geld abgesehen hat. Via Heirat und frühzeitigem Ableben der Braut soll das Erbe ergaunert werden. Als Mittel zum Zweck dient ein altes, im Verfall begriffenes Anwesen, welches mit großer Symbolkraft die heimliche Hauptrolle einnimmt. Das erinnert verdächtig an Edgar Allan Poes Kurzgeschichte Der Untergang des Hauses Usher, ist hier aber nicht halb so faszinierend in Szene gesetzt wie in Roger Cormans berühmter Adaption von 1960. Der manieristische Einsatz von Rotgrün-Filtern, die oberflächliche Figurenzeichnung und die vorhersehbare, von Drehbuchlöchern nur so strotzende Handlung lassen den Film zu einem seltsam schwerfälligen Vergnügen werden.
Umso erstaunlicher, dass sich die Musik von Velázquez nicht so recht auf das schwülstige Horror-Melodram einlassen mag, um dem schwächelnden Film zumindest etwas auf die Beine zu helfen. Exemplarisch zeigt sich dies in der Ballszene, in der sich Edith und Thomas ineinander verlieben. Statt mit einem abgründigen Walzer die zum Scheitern verurteilte Liebe vorauszuahnen und damit einen größeren dramaturgischen Bogen zu spannen, bleibt die Musik ganz in der Szene gefangen. Sie begnügt sich lieber mit einem zwar passenden, im filmischen Bezug aber unterkomplexen Pastiche eines zeitgenössischen Walzers (Valse sur une berceuse anglaise). Auch sonst schafft es die Filmmusik nicht, eine echte Verbindung zur Psychologie der Figuren herzustellen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass das Drehbuch inhaltlich wenig hergibt, auf das sich Velázquez beziehen könnte. Doch anstatt dem Film auf der Tonebene Struktur und Kohärenz zu verleihen, flüchtet sich der Komponist in die üblichen Klischees und Stereotypen des Kostümfilm-Scorings. Die Musik blüht zwar immer wieder auf, wenn er das großartige Hauptthema zitiert. Doch selbst das gerät nicht in jedem Fall überzeugend: Zum Beispiel wirkt der romantische Überschwang von Allerdale Hale sogar fast deplatziert angesichts der Tatsache, dass Edith gerade ihren Vater auf tragische Weise verloren hat und der Anblick des verfallenen Anwesens des Ehegatten beim ersten Betreten nun wahrlich keinen Anlass für rosige Zukunftsaussichten liefert.
Da Crimson Peak aber auch ein gotisches Horrormärchen ist, kontrastieren Streicher- und Klavier-Melodik im Kostümfilm-Modus in den Horror-Szenen mit schroffen dissonanten Passagen samt ätherisch raunendem Chor. Auf der Tonspur erzeugen diese Szenen zusätzliche Heterogenität, weil es Velázquez nicht gelingt, einen kompositorischen Bogen zwischen den stilistisch unterschiedlichen Stücken zu spannen. Das mag auch am Film liegen, in dem die Geistererscheinungen seltsam unmotiviert und beinahe unfreiwillig komisch wirken, weil sie so schnell kommen, wie sie wieder gehen und wenig zur eigentlichen Handlung beitragen. Auch der drastische Showdown will nicht so recht zum melodramatischen Grundton des restlichen Filmes passen. In Crimson Peak wechseln viele Vertonungs-Klischees einander ab, ohne sich zu einem großen Ganzen zusammenzufügen. Es wirkt trotz einzelner gelungenen Ansätze so, als fehle nicht nur eine gute konzeptuelle Vision, sondern auch im Detail die rechte Sensibilität für den bildgewaltigen Gothic Horror, wie ihn Del Toro beabsichtigt. Und deshalb läuft auch die Klangschönheit des edlen Hauptthemas zwangsläufig in die Leere. Am Ende bewahrheitet sich deshalb einmal mehr, dass eine gute Melodie allein weder einen Film noch eine Filmmusik retten kann.