„Büßen für Christi“ – Serviam – ich will dienen

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Internate und Privatschulen eignen sich deshalb so gut als filmische Schauplätze, weil sich in ihnen durch die weitgehende Abschottung von der Außenwelt eigene Spielregeln etablieren und durchspielen lassen. Auf diese Weise entsteht, wenn man so will, ein Mikrokosmos unter cineastischen Laborbedingungen. Der österreichische Spielfilm Serviam – Ich will dienen treibt diese Idee auf die Spitze. Die Regisseurin Ruth Mader verarbeitet darin ihre Zeit in einem katholischen Mädcheninternat in den 1980er-Jahren. Der Filmtitel „Serviam – I will dienen“ prangte damals auf der Turnkleidung der Schülerinnen. Doch auch wenn der Film zum Teil sogar in jener Schule gedreht wurde, die Mader damals besucht hat, ist die Handlung ansonsten fiktiv.

Ausgangspunkt des Plots ist die junge Martha, die bereit ist, in ihrem Glauben an die Leiden Christi weiterzugehen als die anderen Kinder. In ihrem religiösen Eifer trägt sie freiwillig einen Bußgürtel, der ihr schwere Verletzungen zufügt. Das alles geschieht unter den strengen Augen der Ordensschwester (mit finsterer Präsenz: Maria Dragus), die sich mit einer Mischung aus religiöser Fürsorge und teilnahmsloser Strenge um die Kinder kümmert. Eines Tages ist Martha jedoch spurlos verschwunden. Sie sei mit ihren Eltern nach Spanien gefahren, erklärt die Schwester. Als ein anderes Mädchen tot aufgefunden wird, spitzt sich die Lage weiter zu. Doch von den zu Besuch kommenden Eltern ist keine Hilfe zu erwarten. Sie interessieren sich in ihrem eitlen Elitismus wenig dafür, was hinter der Fassade der teuer bezahlten Privatschule mit ihren Töchtern geschieht. Und dann gibt es im Haus noch die mysteriöse fünfte Etage, die die Kinder nicht betreten dürfen, in der aber nachts immer noch das Licht brennt.

Ruth Mader inszeniert das Elite-Internat als einsamen aseptischen Ort mit karg eingerichteten Zimmern und langen kahlen Fluren, die Erinnerungen an Kubricks The Shining wecken. Alles hier hat seinen festen Platz – starr und unverrückbar wie die Gebote Gottes, die gepredigt werden. Die Kamera unterstützt diese Wirkung, in dem sie in jeder Szene statische Beobachtungspositionen einnimmt und in der Totale auf das Geschehen blickt. Die Beklemmung, die Leere und Isolation sind dadurch in jeder Sekunde spürbar. Dazu passt die symmetrisch angelegte Architektur des Gebäudes – eine eindrucksvolle Metapher für das kaputte System katholische Kirche. Und die intensive Filmmusik von Manfred Plessl erzeugt ein Gefühl konstanter Bedrohung und transformiert das Internat endgültig zu einem surrealen Albtraum-Ort, an dem alles möglich scheint und jederzeit das Grauen ausbrechen kann. Der schleichende subtile Horror des Filmes wirkt auch deshalb so beängstigend, weil man nur zu gut weiß, dass es solchen Fanatismus, der die im Grunde banalen Glaubensgrundsätze in einen krankhaften Exzess hinein steigert, tatsächlich gibt. Die besten Horrorfilme spiegeln immer die reale Gesellschaft, von der sie nur scheinbar entrückt scheinen. So ist es auch mit Serviam – Ich will dienen: Ruth Maders Film begeistert als kongenialer und hochspannender Mix aus persönlicher Vergangenheitsbewältigung und Kunstfilm mit Horrorfilm-Elementen, der in einer bitteren, aber nie respektlosen Abrechnung mit Religion und Kirche mündet.

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