Die ersten beiden Musikstücke der Filmmusik zu Coco avant Chanel erscheinen geradezu symptomatisch für die drei neuen Vertonungen von Alexandre Desplat im Kinojahr 2009. „Labandon“ eröffnet die Komposition mit einem über vier Minuten ohne Pause wiederholten Pizzicato-Motiv, das gerade einmal aus zwei Noten besteht. Desplat verfolgt hier die konzeptuelle Grundrezeptur, die nahezu alle seinen Arbeiten der letzten Jahre bis hin zum Oscar-nominierten The Curious Case of Benjamin Button eigen ist: Über einem zirkulierenden Grundmotiv blühen nacheinander einzelne Instrumentgruppen des Orchesters auf. Was durchaus reizvoll sein kann, wird bei „Labandon“ jedoch zum kreativen Eigentor. Das simple Grundmotiv und seine viel zu statische Verwendung verstärken den sich ohnehin bei Desplat immer mehr einstellenden Déjà-Vu-Effekt. Ganz anders hingegen das zweite Stück der Musik: „Chez Chanel“, ein zarter, hingehauchter Walzer, bricht reizvoll aus der beschriebenen Grundkonzeption aus und unterstreicht damit das melodische Talent des Komponisten.
Es sind diese beiden gegensätzlichen Pole, zwischen denen sich die Musiken zu Et Après, Chéri und Coco Chanel bewegen. Alle drei Vertonungen entstanden zu Dramenstoffen, die nach einer zurückhaltenden Kompositionsweise verlangten. Doch die Filmthemen liegen durchaus weit voneinander entfernt: Et Après ist ein Mistery-Thriller um einen Staatsanwalt, dem der eigene Tod vorausgesagt wird. Chéri erzählt bitterböse und bissig vom Lieben und Leiden zweier Kurtisanen in der französischen Belle Époque. Und Coco Chanel zeichnet schließlich das Leben der berühmten Modeschöpferin Gabrielle Chanel nach. Umso erstaunlicher, dass die Musiken sich derart ähneln: Sieht man einmal davon ab, dass in Coco avant Chanel der Walzer der Musik einen tänzerischen Anstrich verleiht, Chéri mit einigem burlesken, zirkushaften Stücken versehen ist und Et Après ein paar jazzgefärbte Spannungspassagen bereithält, würde es kaum auffallen, wenn man einzelne Stücke zwischen den Musiken austauschte. Die ruhigen Klavieretüden, die zarten Klänge von Celesta, Glockenspiel und Harfe, die Streicher-Pizzicati und die elegischen Streicherharmonien – sie finden sich in allen drei Musiken wieder. In ihrer Klangsprache wirken diese daher mehr oder weniger austauschbar. Die dezenten stilistischen Färbungen reichen nicht aus, um sie markant voneinander zu unterscheiden.
Es mag Zufall sein, dass Desplat in kurzer Zeit drei Dramenstoffe auf ganz ähnliche Weise vertont hat. Im Schatten der filigraneren und auch thematisch stärkeren Musik zu The Curious Case of Benjamin Button aus dem Vorjahr stellen sich hier jedoch merkliche Abnutzungserscheinungen ein. Am besten schneidet da noch Chéri mit seinen delikaten Soli von Violine und Bratsche (z.B. in „Flower Tunnel“) ab, die der Musik wenigstens etwas Format verleihen. Die Einfallslosigkeit der drei Vertonungen ist umso bedauerlicher, als dass sich Alexandre Desplat mit seiner angenehm zurückhaltenden Tonsprache eigentlich ein gutes Stückchen abseits der üblichen Hollywood-Sinfonik bewegt und alle drei Musiken ohne Zweifel seine charakteristische Handschrift tragen. Doch was nützt dies, wenn ein erprobtes Erfolgsrezept quasi zu Tode geritten wird? Mit den Bildern mögen diese neuen Desplat-Musiken noch gut funktionieren. Allein von CD gehört sind sie hingegen zwar stets gefällig und nicht ohne kleine Höhepunkte. Sie besitzen jedoch letztlich eher geringen Repertoire-Wert.