Oblivion Season (Iran 2014)
Iranische Filme besitzen im internationalen Kino trotz Erfolgen wie Nadar und Simin oder zuletzt Taxi Teheran immer noch Seltenheitswert. Zu schwierig sind die Zensurbedingungen für Filmschaffende. Umso erstaunlicher mutet es an, dass es Abbas Rafei mit Oblivion Season gelungen ist, das im Iran tabuisierte Thema Prostitution auf die Leinwand zu bringen.
Der Film erzählt nach wahren Begebenheiten von Fariba (Sareh Bayat), die von ihrem Mann einst aus einem Bordell freigekauft wurde, nun aber unter dessen argwöhnischen Augen im neuen Heim das Leben einer Gefangenen führt. Als ihr Ehemann nach einem Verkehrsunfall an den Rollstuhl gefesselt wird, erlangt Fariba plötzlich neue Freiheiten. Sie beginnt, gegen Geld Waren quer durch Teheran fahren, um für die erheblichen Krankenhauskosten aufkommen zu können. Für sie beginnt ein verzweifelter Existenzkampf in einer unbarmherzigen, patriarchisch geprägten Männerwelt.
Ähnlich wie Köpek ist auch Oblivion Season ein eindringliches Gesellschaftsporträt, welches für Freiheit und Gleichberechtigung eintritt. Beeindruckend sind die vielen, fast dokumentarisch wirkenden Alltagsszenen, die einen aufschlussreichen Einblick in das gegenwärtige Teheran gewähren. Es ist aber nicht zuletzt das intensive Spiel von Sareh Bayat, das den Kampf gegen Windmühlen zu einem fesselnden Stück Kino macht, welches sich nicht vor den Filmen von Jafar Panahi oder Asghar Farhadi zu verstecken braucht.
Still (GB 2014)
Einen ganzen anderen Kampf bestreitet der Fotograf Tom Carver (Game of Thrones-Serienstar Aidan Gillen) im britischen Thriller Still von Simon Blake. Sein Sohn ist vor einigen Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Seitdem befindet er sich auf der sprichwörtlichen Rolltreppe abwärts: Die Ehe ist gescheitert und Carver erliegt den Verlockungen von Alkohol und Drogen. Als er durch unglückliche Umstände auch noch den Zorn einer Jugendgang auf sich zieht und diese ihn fortan terrorisiert, gerät Carvers Leben völlig außer Kontrolle.
Still ist ein eindringlicher Thriller, der nicht zuletzt durchs Aidan Gillens Darstellung eines gepeinigten Mannes auf dem fatalen Weg der Selbstzerstörung einen eigentümlichen Sog entwickelt. Doch zugleich leidet der Film daran, dass das Drehbuch nicht immer ganz glaubwürdig wirkt. Warum etwa die Polizei der Bedrohung durch die Jugendlichen auch nach brutalen Gewalttaten allein mit Gleichgültigkeit begegnet, bleibt ebenso ungeklärt wie die Frage, warum ein verängstigtes Kind angesichts der Bedrohung im nächtlichen London allein unterwegs sein darf. Simon Blake konzentriert sich allein auf die Entwicklung seiner Hauptfigur, deren Niedergang er in stilisierten Bildern und ungewöhnlichen Kameraeinstellungen einfängt. Spätestens aber, wenn die etwas vorhersehbare Schlusswendung eine neue Perspektive auf das Gesehene eröffnet, wird die filmische Konstruktion in ihrer ganzen Künstlichkeit entlarvt.
Heroes of Evil (Spanien 2014)
Sie sind die „Helden des Bösen“: Aritz, Esteban und Sarita. Nachdem die drei Jugendlichen in der Schulklasse einmal zu viel gedemütigt wurden, beginnen sie sich – zum Teil mit brutaler Gewalt und unter Drogeneinfluss – an ihren Peinigern zu rächen. Das fragile Beziehungsgerüst gerät allerdings schnell ins Wanken, als Aritz in seinen Gewaltakten zu weit geht und sich Sarita in Esteban verliebt.
Das Kinodebüt von Zoe Berritúa ist ein furioser, wild-anarchischer Filmtrip, der seine Zuschauer in mehr als ein moralisches Dilemma stürzt. Es gelingt dem Regisseur trotz der abstoßenden Gewalttaten Sympathie für seine Hauptfiguren zu erzeugen. Dazu bedient er sich eines wunderbaren Kunstgriffes: Er stellt der Brutalität der Gewalttaten klassische Musikstücke gegenüber, die in ihrer Leichtigkeit und Fröhlichkeit einen scharfen Kontrapunkt zum Leinwandgeschehen bilden. Erst als die Freundschaft zwischen den Jugendlichen mehr und mehr Risse bekommt, wird auch der Musikeinsatz spärlicher. Formal ist Heroes de Evil damit zweifellos der aufregendste Wettbewerbsbeitrag des Jahrgangs 2015 (Man achte zum Beispiel auch auf den visuellen Symbolgehalt der Schlussszene). Doch das Drehbuch fällt dem gegenüber kaum ab, sorgt bis zuletzt für atemlose Spannung. Für den Publikumspreis dürfte es freilich nicht reichen. Dafür ist Heroes of Evil vermutlich dann doch zu provokativ.