William Shakespeare hat schon Komponisten aller Musikgattungen zu tollen Leistungen inspiriert. Von Ballett- und Bühnenmusiken bis hin zur Oper ziehen sich auf Werken des Dichters basierende Kompositionen durch die gesamte Musikgeschichte der letzten dreihundert Jahre. Natürlich gingen die Werke des Barden auch am Kino nicht spurlos vorüber. Verbunden mit einer langen Reihe berühmter und populärer Shakespeare-Adaptionen sind ebenso viele und häufig nicht weniger wichtige Filmkompositionen. Die 2001 veröffentlichte Doppel-CD Shakespeare at the Movies von Silva Screen ruft einige der wichtigsten dieser Musiken, neu eingespielt von den Prager Philharmonikern, in Erinnerung.
Der wohl berühmteste „Shakespeare“-Filmkomponist ist zweifellos der Brite William Walton, der in den 40er Jahren die Versionen von Laurence Olivier vertonte. So beginnt die Reise nach einer kurzen Einleitung aus Twelfth Night (1996) von Shaun Davey, mit der Musik Waltons für Henry V, der berühmten Verfilmung aus dem Jahre 1944. Die rund zwanzigminütige Suite mit textlosen Vokalisen des Chores, Bläserfanfaren und folkloristischen Elementen erlebt hier eine fulminante Einspielung, die in ihrer Dynamik und Klangqualität etwa der Naxos-Einspielung unter Andrew Penny deutlich überlegen ist. Ähnlich packend und mitreißend ist auch die zweite enthaltenen Walton-Suite aus Richard III von 1955.1964 vertonte Dimitri Shostakovich eine russische Adaption von Hamlet, die Grigori Kozintsev inszeniert hat. Sein Beitrag (hier mit der Prelude und Ball at the Palace repräsentiert) reflektiert die düstere und melancholische Stimmung des Dramas.
Schwelgerischer ist die noble Komposition für die erste vollständige Verfilmung, die Kenneth Branagh 1996 auf die Leinwand brachte. Zuständig für die sinfonische Begleitung war Patrick Doyle, der sich anschickt, in die Fußstapfen Waltons zu treten. Gleich alle vier bisherigen Shakespeare-Filme Branaghs hat er vertont und sie werden auf dem Silva-Sampler in Ausschnitten serviert. Die Ouvertüre aus Viel Lärm um Nichts (1993) gehört zu seinen schönsten Einzelstücken. Leider kann die Einspielung, die es an Schwung und Genauigkeit vermissen lässt, nicht mit der Originalaufnahme konkurrieren. Ähnliches gilt auch für die Suite aus Henry V (1989), die in der von Simon Rattle dirigierten Fassung rauer und weniger „geglättet“ wirkt. Schöner hingegen sind die Chorpassagen der Musiken vom Crouch End Festival Chorus interpretiert. Als letzte Doyle-Komposition komplettiert ein fünfminütiger Ausschnitt aus Verlorene Liebesmüh‘ das Quartett.
Berühmt geworden ist natürlich auch Nino Rotas Filmmusik zur Zeffirelli-Adaption von Romeo & Julia (1968), die kaum großer Worte bedarf. Als zweite Rota-Musik ist The Taming of the Shrew enthalten, die ein Jahr zuvor entstand. Die Liste gelungener Kompositionen reißt nicht ab, etwa der Geheimtipp Antony & Cleopatra (1972), eine prachtvolle Partitur vom unterschätzten John Scott. Wunderschön, aber ebenfalls etwas schwächer als im Original eingespielt, erklingt die Suite aus dem Oscar-Gewinner Shakespeare in Love (1998) von Stephen Warbeck. Michael J. Lewis und Miklós Rózsa vertonten jeweils Julius Caesar (1969 bzw. 1953). Etwas abfallen gegenüber der großen Konkurrenz tut Craig Armstrong mit seinem atmosphärischen Beitrag zur hippen 96er-Version von Romeo & Julia. Einen gelungenen Abschluss bietet wiederum Shaun Davey. Dieser lässt erneut Ben Kingsley in Twelfth Night singen. Das folkloristische Lied ist eine der Höhepunkte seiner Komposition.
Ergänzt wird die Doppel-CD durch die Stücke trennende Dialoge (auf separaten Tracks), die leider etwas uninspiriert rezitiert werden. Ansonsten kann die Kompilation trotz Höhen und Schwächen in den Einspielungen überzeugen. Für den Sammler ein schönes Höralbum und für den Gelegenheitskäufer ein spannender Querschnitt durch 55 Jahre „Shakespeare at the Movies“.