Der Fernsehfilm Schwabenkinder erzählt von einem düsteren wie weitgehend vergessenen Kapitel des 19. Jahrhunderts. Bauernkinder armer Familien wurden damals aus der Schweiz und Tirol über die Alpen nach Schwaben gebracht, wo sie auf einem Markt als billige Arbeitskräfte vermietet oder verkauft wurden. Der beschwerliche Weg über die Berge, bei dem viele Kinder verunglückten wie erfroren, wurde landläufig als „Schwabengehen“ bezeichnet, eine gängige Praxis, die bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts bestanden haben soll.
Das Mitte April 2003 erstmals im deutschen Fernsehen ausgestrahlte Drama wird musikalisch vom deutschen Enjott Schneider begleitet. Der an der Münchener Hochschule für Musik & Theater unterrichtende Komponist hat sich in der Vergangenheit mit den Vertonungen zu Herbstmilch (1988), Stalingrad (1993) und 23 (1998) einen Namen gemacht. Seine schwermütige Komposition zu Schwabenkinder vereint Elemente der traditionellen Kirchenmesse (Benedictus, Agnus Dei, Sanctus, Kyrie Eleison) mit düster getönten streicherdominierten Passagen. Klagende Soli vom Cello und das melancholische Spiel der Klarinette verstärken das Gefühl leidensvoller Tristesse. Beeindruckend ist der Kinderchor der Münchener Dommusik in „Benedictus“. Wie Enjott Schneider im informativen Booklet schreibt, stehen die Streicherfiguren hier als Leitmotiv für den beschwerlichen Gang über die Berge.
Überraschend offen gibt Schneider im Booklet seine Inspirationsquellen und Vorgaben preis. Neben der Bachschen Matthäuspassion und der als Temp-Track verwendeten Musik von John Williams zu Angela’s Ashes (1999) sind hier vor allem die Vertonungen Ennio Morricones zu Cinema Paradiso und Der Zauber von Malèna (2000) zu nennen. Diese Vorbilder sind in der über einstündigen Komposition tatsächlich stets präsent. Darunter leidet die Eigenständigkeit der ansonsten durchaus ambitionierten Arbeit. Gerade in der zweiten Hälfte wirkt die Partitur in ihren Stimmungsbildern recht monoton und eintönig. Was im Film zweifellos seine Berechtigung und Notwendigkeit hat, lässt – allein von CD gehört – etwas an Abwechslung vermissen.
Doch trotz dieser Schwächen handelt es sich für deutsche TV-Verhältnisse um eine erfreuliche, erstaunliche Erscheinung. Für das Fernsehen wird nämlich nur selten auf derartigem Niveau komponiert. Umso überraschender erscheint es daher, dass in Schwabenkinder Sinfonieorchester und Chor gleichermaßen zum Einsatz kamen. Natürlich ist die Musik keine leichte Kost. Kaum verwunderlich bei dieser sehr traurigen Thematik. Doch Enjott Schneiders Schwabenkinder belohnt das Einhören mit einem eindringlichen und mitunter anrührenden Hörerlebnis. Die schöne CD-Produktion rundet die gelungene Aufnahme ab.