L’enfant des Loups – Serge Franklin

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Wie sehr die amerikanische Filmmusik die hiesige Szene dominiert, merkt man immer dann, wenn praktisch aus dem Nichts eine Filmmusik erscheint, die durch ihre Qualität schon längst hätte auffallen müssen. Doch weil viele Liebhaber von Filmmusik hauptsächlich über den großen Teich blicken, fristet manche Musik ein Schattendasein. Dies trifft wohl im besonderen Maße auf die Vertonung der französischen Fantasyserie L’Enfant des Loups – Das Kind der Wölfe von 1990 zu. Die Fernsehproduktion, die außerhalb des Ursprungslandes quasi unbekannt ist, wurde vom 1942 in Frankreich geborenen Serge Franklin vertont. Franklin, der in den 60er-Jahren, inspiriert durch seine Orientreisen, zum gefragten Sitar-Spieler aufstieg und in den 70ern für die Renaud-Barrault-Theater-Company komponierte, hat seit Ende des damaligen Jahrzehnts über 150 Filmmusiken – die meisten für das französische Fernsehen – geschrieben. Ein solcher Komponist müsste eigentlich in der deutschen Filmmusikszene bekannt sein. Doch weit gefehlt – größere internationale Aufmerksamkeit blieb Franklin bislang versagt.

Das könnte sich nun ändern, denn die vom neu gegründeten Lympia-Label veröffentlichte Signature Edition von L’Enfant des Loups lässt im positiven Sinne aufhorchen. Für die Serie entstand eine überraschend groß besetzte sinfonische Partitur mit Chor, die die Folklore des Mittelalters mit Elementen der klassischen Kirchenmesse verbindet. Zwischen düster-archaischen Chorgesängen (auf Lateinisch) und ausgeprägten Streicherpassagen entwickelt die Musik eine erstaunlich markante Tonsprache. Das Heulen der Wölfe wird zum Beispiel geschickt durch die Hörner imitiert. Schöne Soli der Holzbläser, allen voran der Oboe, verstärken die lyrischen Qualitäten der Komposition. Als originelle Kuriosität erweist sich der wilde, barbarische Tanz Danse de Sacrilèges mit seinem rhythmischen Klatschen und der animalischen Lautsprache.

Zusammengehalten wird die Partitur von vier prägnanten Themen: Der Prologue führt in den Flöten das mysteriöse Schicksalsthema ein, das später als feierliche Liturgie mit biblischem Text verarbeitet wird. Ein düsterer Choral (Ecce Como) reflektiert den Aufstieg des Bösen. Das einfühlsame Liebesthema (Le Cri du Loups) bietet in bester Morricone-Manier den romantischen Gegenpol. Ein Drei-Noten-Motiv für die Figur der Vonda komplettiert das Quartett. Dazu treten verschiedene Choräle, die sich zum Teil an die Kirchenmesse anlehnen (z.B. Kyrie, Dies Irae).

Auch wenn kleine Schwächen in der dramatischen Ausgestaltung merken lassen, dass Franklin über keine klassische Musikausbildung verfügt, handelt es sich bei L’Enfant des Loups um eine vielfältige, atmosphärisch dichte und thematisch inspirierte Komposition, die unmittelbar ins Ohr geht und ein mitreißendes Hörerlebnis bietet. Das informative, edel gestaltete Booklet, das sehr detailliert auf die Konzeption der Musik eingeht, macht die auf 1500 Exemplare limitierte Edition zu einer rundum überzeugenden Filmmusik-Überraschung.