Es ist beinahe unmöglich, auf die Fernsehverfilmung von Stephen Kings Es zurückzublicken, ohne das Kino der 80er-Jahre und seinen speziellen Charme zu berücksichtigen. Technisch gesehen feierte der Zweiteiler zwar im November 1990 Premiere. Doch die Inszenierung bedient sich so vieler typischer Elemente des vorangegangenen Jahrzehnts, dass stilbildende Filme der 90er wie Das Schweigen der Lämmer, Pulp Fiction oder Sieben hier noch sehr weit weg wirken. Oder anders formuliert: It knüpft mehr an das Kino von E.T., The Goonies und Stand by me an, als dass der Film geeignet wäre, die 90er-Jahre einzuläuten. Gleichermaßen sind alle typischen Zutaten eines Stephen King-Romans enthalten: Da ist die uramerikanische Kleinstadt, über die das Grauen hineinbricht. Da ist das Motiv des Unheimlichen als Manifestation menschlicher Urängste und Spiegel gesellschaftlicher Abgründe hinter den brüchigen Fassaden scheinbar heiler Familienwelten. Nimmt man dazu die Geschichte um die sieben Kinder, die sich dem Bösen entgegenstellen, dann ist man schnell beim üppigen Zitatenschatz, aus dem derzeit die erfolgreiche Netflix-Serie Stranger Things schöpft, um seine Geschichte ganz im recycelten Retro-Look der 80er-Jahre zu inszenieren.
Ein wenig altbacken mag Es bei seiner Erstausstrahlung vielen Zuschauern schon vorgekommen sein. Im Rückblick spielt das allerdings keine große Rolle mehr. Ironischerweise verdankt der Zweiteiler seine ungebrochene Popularität nämlich genau dem Umstand, dass er ästhetisch in einer Reihe mit den eigenen Vorbildern steht. Und natürlich hat auch der liebevoll-referenzielle Blick von Stranger Things das Interesse an den ikonografischen Filmen der 80er-Jahre neu entfacht. In diesem Sinne überrascht auch das derzeitige „Es-Revival“ nicht. 2017 feierte eine Neuverfilmung große Erfolge und Intrada Records hat 2015 – ein Vierteljahrhundert später – erstmals die Filmmusik von Richard Bellis auf CD gepresst – eine limitierte Edition, die innerhalb kurzer Zeit vergriffen war. Dazu lässt die 2017er Blu-Ray von Warner den Schocker um den bösen Clown Pennywise in exzellenter Bildqualität erstrahlen und erlaubt damit eine spannende Neubegegnung mit dem Film und seiner Musik.
Wenngleich sich ein Gefühl von nostalgischer Verklärung kaum ausblenden lässt und sich die Sehgewohnheiten in den vergangenen 30 Jahren radikal verändert haben, taugt der schleichende Grusel von Es immer noch dazu, Gänsehaut und Beklemmung zu erzeugen. Tim Curry spielt den Clown Pennywise derart perfide, dass sich der Horror auch ohne blutgetränkte Leinwandszenen entfaltet. Pennywise zieht seine Opfer auf die Schattenseite des Lebens, eine Art jenseitiger Unterwelt, die mit dem Diesseits seltsam verbunden scheint. Das Böse besitzt in der realen Welt stets einen Gegenpart: Sowohl in den dysfunktionalen Familien der Kinder, als auch im gewaltbereiten Schulrowdy Henry Bowers, der mit seiner Gang die Kinder drangsaliert – nicht unähnlich, wie es Pennywise mit seinen Opfern macht. Im zweiten Teil des Fernsehfilms kommt es sogar zum Schulterschluss zwischen Clown und Rowdy. Diese symbolträchtige Parallelität der Erzählebenen gehört zu den besonders interessanten Aspekten des Fernsehfilms.
Die Gegenpole von Diesseits und Jenseits, von Gut und Böse, bilden auch den Rahmen für die filmmusikalische Konzeption von Richard Bellis, die zwischen elektronischen und orchestralen Klängen wechselt. Typische Synthesizer-Effekte der 80er-Jahre stehen für den Clown und das übersinnlich Böse. Bellis verwendet dabei Elemente der Zirkusmusik, um das diabolisch-vergnügte Treiben von Pennywise zu untermalen. Mal geschieht dies sehr prominent mit Source-Musik und mal wie in Georgie Dies mit verfremdeten Synthesizer-Klängen (zum Einsatz kamen Roland-, Moog- und Oberheim-Synthesizer). Die Freundschaftsbande der sieben Kinder wird dagegen mit zwei orchestralen Themen charakterisiert: einem sinistren Spannungsmotiv und einer lyrisch-wehmütigen Melodie, die bereits im Main Title des ersten Teils durch das Spiel der Trompete von der Vergänglichkeit der Jugend kündet. Schnell wird klar: Die traumatischen Erlebnisse der Kinder werden nicht ohne Folgen bleiben und auch ihr Erwachsenenleben belasten. Der Einsatz des Freundschaftsthemas in The Pact spiegelt dies auf brillante Weise: Es ist jene Szene am Ende des ersten Teils, in der die Freunde sich versprechen, den Kampf gemeinsam wieder aufzunehmen, sollte „Es“ jemals zurückkehren. Die melancholische Melodie wird dabei nicht vom Orchester gespielt, sondern ist auf die elektronische Ebene gewandert. Der Schatten des Bösen fällt so auch musikalisch über die Freundschaftsbande der Kinder. Das Ende des zweiten Teils überrascht dann mit einem gegenteiligen Effekt: Die Identität des Monsters ist entlarvt. Die Synthesizer verschwinden und überlassen stattdessen dem Orchester die Begleitung des finalen Showdowns.
Doch nicht jeder konzeptuelle Einfall überzeugt im gleichen Maße: Eher albern mutet es an, dass Bellis dem bösen Henry Bowers ein E-Gitarren-Motiv zur Seite stellt (Punks) – als wäre bereits die E-Gitarre an sich ein aufrührerisches Element. Und auch die Anleihen an die Duschszene aus Psycho in The Spiders’s Web erscheinen nicht gerade originell. So hinterlässt die Vertonung aus heutiger Sicht einen wechselhaften Eindruck. Die scharfen Kontraste zwischen bittersüßer Melancholie und bizarren Synthesizer-Klangwelten, für die Ray Colcord als Partner an der Seite von Richard Bellis verantwortlich zeichnete, machen zwar viel vom eigentümlichen Charisma der Komposition aus. Doch gleichzeitig wirkt diese immer wieder altbacken und fernsehhaft. So waren vermutlich hauptsächlich der durchschlagende Erfolg und der große Name „Stephen King“ dafür verantwortlich, dass die Vertonung bis heute nicht in Vergessenheit geraten ist. Für Bellis blieb es letztlich beim One-Hit-Wonder. Er erhielt für seine Arbeit am ersten Teil einen Emmy, konnte in der Zeit danach aber nicht mehr an diesen einmaligen Erfolg anknüpfen.