Geduldig wartet der vielleicht 12jährige Jenik darauf, dass sich die Falltür zur elterlichen Burg wieder schließt. Dann nutzt er die Gelegenheit, um sich davonzumachen. Er trägt Rüstung. Es ist das Jahr 1212. Und der Junge will ins heilige Land aufbrechen, um beim Kinderkreuzzug mitzuhelfen, Jerusalem zurückzuerobern. Es ist eine lange statische Kamera-Einstellung, in der das Kind langsam im nahen Wald entschwindet. Und sie ist charakteristisch für einen ebenso langsamen, wortkargen Film – der vor allem in Metaphern und Symbolen zum Zuschauer spricht. Jeniks Vater, ein alternder Ritter, macht sich auf die Suche nach dem verlorenen Sohn. Eine ebenso lange Einstellung in sein Gesicht vermittelt den schier unermesslichen Kummer, den dieser Mann verspürt. Seine Reise führt ihn durch eine seltsam idealisierte Mittelalterwelt. Die sonnendurchflutenden Bilder aus Apulien, die strahlend weißen Gewänder und die engelsgleichen Kinder, denen er begegnet – sie passen nicht zur gängigen Vorstellung von der düsteren Epoche der Kreuzzüge.
Dennoch ist der historische Kontext und die grausame Gewalt auch ohne explizite Szenen allgegenwärtig. In einer betont unschuldig wirkenden Szenerie spielen Kinder ein Laienstück mit Gesang, das für die gute Sache, für den Kampf im Namen des Glaubens, werben soll. Doch Jeniks Vater reißt den Jünglingen die Helme vom Kopf und entlarvt so die Propaganda. Es bleibt ein hilfloser Akt. Denn gegen den allgegenwärtigen Zeitgeist kann auch er nicht an. Václav Kadrnkas lose auf einem Gedicht basierender Film geht es aber nur vordergründig um den historischen Diskurs um die Verführungskraft der religiösen Fanatiker. Zugleich lässt er sich auch als Allegorie auf die Beziehung zwischen Vater und Sohn lesen, thematisiert den Prozess des Loslassens. Wie lange er auf sein Kind aufpassen wollen, wird der namenlose Ritter einmal gefragt. „Solange er noch klein ist“ – „Doch wenn Du ihn stets bewachst, wird er immer klein bleiben“.
Trotz dieser spannenden Ansätze ist Little Crusader kein leicht verdaulicher Film. Die karge, ikonographische Inszenierung lässt vieles offen, erklärt nur wenig. Die langen stilisierten Einstellungen, die immer ein wenig länger auf einer Szene verharren, als eigentlich notwendig – stellen den Zuschauer mehrfach auf eine Geduldsprobe. In seiner Heimat war der Film nach dem Gewinn des Crystal Globe beim Karlovy Vary International Film Festival deshalb äußerst umstritten. Doch wer sich auf den „kleinen Kreuzritter“ einlässt, wird reich belohnt. Es gibt geradezu wunderbare Szenen: Wenn die Kamera die zuhause wartende Mutter in ihrem blauen Gewand einfängt oder am Ende eine Geldmünze, die dem Jungen gehörte, durch viele in Großaufnahme gezeigte Kinderhände wandert – dann entwickelt das archaische Historiendrama eine selten gewordene, ganz eigenwillige Form der Kinomagie.
Little Crusader – Krizácek: Tschechien 2017, Regie: Václav Kadrnka (Reihe Beyond: Faith)