Die Päpstin – Marcel Barsotti

Immer dann, wenn in Deutschland ein internationaler Bestseller verfilmt wird, fällt auch der Produktion der Filmmusik eine größere Bedeutung zu. Plötzlich werden Etats freigesetzt, die sonst im deutschen Kino nur selten zur Verfügung stehen. Die Verpflichtung eines renommierten Orchesters samt Chor unterstreicht meist die gestiegenen Ambitionen der Produzenten. Entsprechend dürfte sich Marcel Barsotti gefreut haben, als er den Zuschlag bekam, die Bestsellerverfilmung Die Päpstin vertonen zu dürfen. Nachdem der gebürtige Schweizer zuletzt bei Fernsehfilmen wie dem Mistery-Thriller Der Bibelcode oder dem Pro Sieben-Abenteuerreißer Der Seewolf budgetbedingt ausschließlich auf die Arbeit mit Orchester-Samples angewiesen war, konnte er für das öffentlichkeitswirksame Historienspektakel unter der Regie von Sönke Wortmann nun wieder aus dem Vollen schöpfen: Mit der rheinlandpfälzischen Staatsphilharmonie samt Chor und der Europäischen Filmphilharmonie kommt eine über 160köpfige Besetzung im Dienste der „Päpstin“ zum Einsatz.

Die Romanvorlage von Donna Woolfolk Cross erzählt lose anhand historischer Indizien die Geschichte der Päpstin Johanna, die angeblich im 9. Jahrhundert für kurze Zeit unentdeckt das Oberhaupt der katholischen Kirche gebildet haben soll. Ob es einen weiblichen Papst tatsächlich gegeben hat, ist freilich unter Historikern umstritten. Buch und Film bleiben in dieser Hinsicht deshalb zwangsläufig rein hypothetisch. Ohnehin wurde Donna Woolfolk Cross seinerzeit vorgeworfen, die Hauptfigur in ihrem Roman viel zu modern im Sinne einer feministischen Emanzipationsgeschichte entwickelt zu haben. So bieten Film als auch das Buch zwangsläufig mehr opulentes Historienmelodram denn glaubwürdig nacherzählte Geschichte.

Die Filmmusik von Marcel Barsotti passt zu diesem Bild:  Man habe keine Musik aus dem Mittelalter verwendet, da diese den Film komischerweise altmodisch und dokumentarisch gemacht habe, schreibt Barsotti im Begleittext.  Vermutlich um ein möglichst großes Publikums zu erreichen, orientiert sich seine Arbeit an einer vergleichsweise modernen Tonsprache, die in der Tradition anderer Barsotti-Musiken wie z.B. Das Wunder von Bern steht. Kein Wunder:  Der mit großem Aufwand auf englisch mit einer bunt zusammengestellten internationalen Besetzung gedrehte Film, muss sein Geld wieder einspielen. Und so darf auch die Filmmusik keine Wagnisse eingehen, keinen Kinogänger mit ungewohnten oder gar sperrigen Klängen irritieren. Diese Kalkulation ist einerseits natürlich verständlich, zugleich aber auch schade, da unter solchen Umständen eine charismatische Filmmusik beinahe unmöglich scheint.

Umso erstaunlicher mutet es an, dass die Vertonung trotz dieser Einschränkungen eine überraschend gute Figur macht. Zehn Monate hatte Barsotti für die Komposition Zeit und das hört man seiner mit Liebe zum Detail ausgearbeiteten Vertonung durchaus an. In überwiegend warmen Klangfarben spürt diese ganz im Sinne eines Filmmelodrams vor allem der bewegten Leidensgeschichte der Johanna nach. Dementsprechend sind lyrische Streichermelodien, gefühlvolles Klavierspiel à là Thomas Newman und lyrische Instrumentsoli (Streicher, Holzbläser etc.) zu hören. In den dramatischen Passagen dürfen es dann auch schon einmal kraftvolle Actionstücke sein. Die Epoche der Filmhandlung kann man dabei über weite Strecken bestenfalls nur erahnen, etwa wenn ein folkloristischer Tanz eine Marktszene begleitet („Carnival“) oder Kirchenszenen gregorianische Gesänge unterlegt sind.

Zusammengehalten wird die Partitur von einem lyrischen Hauptthema, das beim ersten Hören vielleicht etwas unscheinbar wirken mag, mit der Zeit aber doch einige Hörqualitäten entwickelt. Barsotti lässt es immer wieder in wechselnden Instrumentierungen (z.B. Streicher, Klavier) aufscheinen, besonders reizvoll etwa von der Gitarre in Track 14 gespielt. Ein zweites zentrales Thema, eigentlich mehr eine Aneinanderreihung einzelner Motive, gilt der Päpstin Johanna („Joanna’s Theme“), ist aber mangels einer klaren Melodieführung vergleichsweise spröde geraten. Dennoch sind die melodischen Einfälle gut genug, um die Musik von einigen Längen abgesehen, zu tragen. Insbesondere wenn Barsotti die Themen in majestätischen Tutti vom Orchester spielen lässt, weiß seine Komposition zu glänzen.

Unterm Strich bietet Die Päpstin filmmusikalisch Licht und Schatten. Die ganz eigene Tonsprache, die Barsotti im Booklet-Text vollmundig für sich in Anspruch nimmt, findet sich freilich nicht. US-Vorbilder (hier: Thomas Newman, Mark Isham, James Newton Howard; einmal ist Zimmers Gladiator auch nicht weit) sind wie schon bei Krabat von Annette Focks allseits präsent. Dennoch handelt es sich um eine stimmungsvolle, unterhaltsame Vertonung, vorausgesetzt man kann über die nicht unproblematische, allein auf Publikumswirksamkeit abzielende Vertonungskonzeption, hinwegsehen.