Zwei richtig starke Filme aus Deutschland und eine rabenschwarze Filmkomödie aus Ungarn. Das war der letzte Tag beim Braunschweig International Filmfestival 2015:
After Spring Comes Fall (Deutschland 2015)
Der Flüchtlings-Zustrom, vor allem aus Syrien, ist eines der wichtigsten Themen des laufenden Jahres. Daniel Carsentys Abschlussfilm an der Potsdamer Filmhochschule widmet sich brandaktuell einer wenig bekannten Facette des Themas, dem Wirken des syrischen Geheimdienstes in Deutschland. Erzählt wird die Geschichte der jungen Kurdin Minna, die nach Berlin flüchtet, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Doch zur Ruhe kommt sie nicht. Handlanger des syrischen Geheimdienstes lauern ihr auf und zwingen sie mit Gewalt, Oppositionelle in Berlin zu bespitzeln.
Der Plot mag auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheinen, ist aber offenbar gut recherchiert. Im Filmgespräch erklärte Carsenty, er habe das Thema eigentlich als Dokumentarfilm aufbereiten wollen. Doch habe man das Projekt vorzeitig abbrechen müssen, da die Arbeit für alle Beteiligten zu gefährlich geworden war. So wurde die Idee zur fiktiven Variante in After Spring Comes Fall geboren. Bemerkenswert ist der eigenwillige Inszenierungsstil: Ohne vorausgehende Kontextualisierung erzählt Carsenty die Geschichte bruchstückhaft, oftmals in grobkörnigen, auch Unschärfen zulassenden Kameraeinstellungen. Die nicht immer leichte Aufgabe, aus kleinen Informationshappen das Puzzle der Filmhandlung zusammenzusetzen, fällt dem Zuschauer zu. Eine lohnende Herausforderung. After Spring comes Fall ist ein beklemmendes Stück politisches Kino, das hoffentlich schnell den Weg in die deutschen Kinos finden wird.
Liza – The Fox Fairy (Ungarn 2015)
Im Reigen eher ernster, atmosphärisch inszenierter Filmstoffe beim diesjährigen Festival bildet die ungarische Komödie Liza – The fox Fairy eine schrille Ausnahme. Anders kann man die Geschichte um die junge Altenpflegerin Liza, die vom Geist eines japanischen Schlagersängers mit dem titelgebenden Fuchsfeen-Fluch belegt wird, kaum nennen. Der Fluch besagt nämlich, dass alle potenziellen Verehrer der jungen Dame nach kurzer Zeit bei einem Unfall dahinscheiden – zum großen Leidwesen Lizas, die sich nichts sehnlicher als einen Partner an ihrer Seite wünscht.
Die irre Komödie von Károly Ujj Mészáros bezieht ihren absurden Humor aus dem aberwitzig durchgeknallten Setting, den schrägen Todesarten und natürlich dem wunderbar abgedrehten japanischen Schlagergesang des bösen Geistes. Hat man aber die Spielregeln des irren Filmes erst einmal verdaut, steuert die Handlung dann doch etwas vorhersehbar dem obligatorischen Happy End entgegen. Spaß machen tut Liza dank seiner pointierten Gags trotzdem. Jedermanns Sache mag das vielleicht nicht sein. Wer aber absurde Komödien mag, kommt hier voll auf seine Kosten.
Treppe aufwärts (Deutschland 2015)
Das Thema Spielsucht taucht im deutschen wie im internationalen Kino selten bis gar nicht auf. Umso wichtiger erscheint Mia Meyers Familiendrama Treppe aufwärts, das ganz ohne Filmförderung entstand. Der Film zeigt die Auswirkungen der Sucht, die das Leben mehrerer Generationen einer Familie belastet: Der Opa hat durch seine Verluste in Spielhöllen massive Schulden aufgebaut, die sein Sohn durch die Manipulation von Automaten versucht, zurückzuzahlen. Der Enkel wiederum glaubt, dass der Vater selbst spielsüchtig ist und lässt sich von einem Geldeintreiber im Milieu anstellen.
Zugegeben: Das Drehbuch von Treppe aufwärts wirkt stellenweise etwas überfrachtet und konstruiert. Das Herz trägt der Film allerdings am rechten Fleck. Vor allem Hanno Koffler bietet in der Hauptrolle eine furiose Schauspielleistung, die über manche inhaltliche Schwäche hinwegblicken lässt. Wenn wir ihn sehen – beinahe erdrückt von der Bürde der Schulden, den Umtrieben des dementen Vaters und dem Auftauchen des rebellischen Sohnes, dann gewinnt Mia Meyers Drama eine Intensität, die im deutschen Kino selten ist. Die größte Stärke des Filmes ist es aber, dass die Treppe für die Figuren eben aufwärts und nicht abwärts führt, ohne das ernste Thema dabei zu verharmlosen.