Alexander Kordas in Technicolor gedrehter Dieb von Bagdad von 1940 gehört zu den großen Klassikern des Fantasy-Kinos, an dessen märchenhaft-betörendem Charme seitdem kaum ein Film heranreichte. Versucht haben das dennoch viele Produktionen. Eine davon entstand 1960 in Italien: In Der Gauner von Bagdad (Originaltitel: Il Ladro di Bagdad) spielt der Bodybuilder Steve Reeves nach seinem Durchbruch mit den Hercules-Filmen den gerissenen Dieb Karim, der als orientalischer Robin Hood die Reichen bestiehlt, um mit seiner Beute den Armen zu helfen. Die Handlung der am Rande des Peplum-Kinos angesiedelten Produktion basiert allerdings anders als der Korda-Film nicht auf den Geschichten aus 1001 Nacht, sondern überträgt stattdessen das chinesische Märchen Die blaue Blume in den Orient. Der Plot ist trivial und ganz auf den Bodybuilder Reeves zugeschnitten, der hier mit hölzernem, aber augenzwinkerndem Charme irgendwo zwischen Errol Flynn und Burt Lancaster chargiert. Nach einer drollig in Szene gesetzten Verkleidungs-Charade im Sultanspalast, in der sich Karim als heiratssuchender Prinz Osman ausgibt, muss er sich auf die Suche nach der magischen blauen Rose machen, um die dahinsiechende Prinzession Amina (Giorgia Moll) von dem auf ihr lastenden Fluch zu befreien. Dass er auf dem Weg dahin einige Gefahren zu bestehen hat, einige Bösewichte wie den machthungrigen Prinz Osman, der es ebenfalls auf Amina abgesehen hat, verhauen darf und am Ende die Prinzessin in seine Arme schließen kann, versteht sich dabei fast von selbst.
Gefilmt wurde nicht nur im Studio in Rom, sondern zum Teil auch vor Ort in Tunesien. Die Große Moschee von Kairouan in Tunis stand als Palast von Bagdad Pate. Einige Szenen entstanden aber auch in der Wüste und in den Souks der Hauptstadt. Insofern erstaunt es, dass Der Gauner von Bagdad seinerzeit vor allem als tumbes Spektakel vor billiger Kulisse rezipiert wurde. So schrieb beispielsweise der Filmdienst, der Orient rieche nach Pappe und Kleister. Pappmaché-Kulissen sind zwar durchaus vorhanden, angeblich litt die Produktion unter Problemen bei der Finanzierung. Doch vor allem der Beginn begeistert durch die prachtvolle Ornamentik des Sultanspalastes. Und auch die Straßenszenen bei den Gerbern wirken überraschend lebendig für eine Produktion wie diese. Natürlich steht das von Arthur Lubin (Phantom der Oper) inszenierte Abenteuer in der Tradition vieler trivialer B-Film-Produktionen, wie sie in den späten 50er und frühen 60er Jahren haufenweise in Italien produziert wurden. Eine cineastische Großtat darf man bei Der Gauner von Bagdad deshalb ganz gewiss nicht erwarten, zumal die zweite Hälfte mit bizarren Fantasy-Szenen deutlich abfällt. Doch trotz seiner offensichtlichen Defizite ist der Film keinesfalls so schlecht gealtert, wie es viele im Netz zu findende Kritiken nahelegen.
Dass der Film bei einer Neusichtung besser wegkommt als gedacht, liegt auch an der liebevollen Restaurierung, die eine Wiederentdeckung besonders lohnenswert macht. Die 2019 von Colosseo Films veröffentlichte Blu-ray lässt das in Eastman-Color gefilmte Fantasy-Abenteuer in einer leuchtenden Farbenpracht erstrahlen, die begeistert. Zudem wird hier erstmals die um sieben Minuten längere italienische Langfassung im korrekten Bildformat präsentiert. Kurzum: So gut wie auf dieser Scheibe hat „Der Gauner“ noch nie ausgesehen.
Zum besonderen Charme der Produktion trägt auch die schillernde Filmmusik von Carlo Rustichelli bei (2009 von DigitMovies in kleiner Auflage von 500 Exemplaren veröffentlicht; inzwischen ist die CD leider vergriffen), die zu den schönsten Werken des Komponisten gehört. Geschickt hält Rustichelli in der von Carlo Savina dirigierten Komposition die Balance zwischen Monumentalfilm-Anspruch, lyrischer Streichermelodik und komödiantischen Elementen. Die Vertonung fußt dabei auf drei markanten Themen: Da ist zum einen die majestätische Fanfare, die Erinnerungen an Miklós Rózsa weckt. Doch bereits der ätherische Frauenchoral, der Karims Begegnung mit den verführerischen Hexen im Verlauf der Handlung vorwegnimmt, verortet die Musik eindeutig in den Bereich der Italienischen Kinosinfonik. Noch deutlicher wird der Bruch zu Hollywood mit dem komödiantischen Thema („Per le vie di Bagdad“), ein spleeniger Marsch, der so gar nicht zum märchenhaften Orient passen will und der unterstreicht, dass sich der Film nicht allzu ernst nimmt. Überhaupt vermeidet Rustichelli abseits einzelner Tanzstücke überdeutliche Orientalismen. Und auch temporeiche Action-Stücke fehlen völlig. In Rustichellis Musik geht es stattdessen vergleichsweise elegisch und dementsprechend gemächlich zu.
Diese eigenwillige Interpretation des Stoffes passt aber durchaus zur Konzeption des Filmes: Denn Arthur Lubin inszeniert den „Dieb von Bagdad“-Topos unverkennbar mit italienischer Brille und vielen zeitgeschmäcklerischen Zugeständnissen. Das Kalkül der Macher war dabei offensichtlich: Man wollte die kommerzielle Zugkraft von Steve Reeves nutzen und das gleiche Zielpublikum ansprechen wie bei Herkules. Auch wenn das an den Kinokassen nicht ganz geklappt hat, ist es genau diese kuriose Mixtur, die aus heutiger Sicht den spleenigen B-Film-Charme der Produktion ausmacht. Rustichellis Musik verströmt dazu den notwendigen Glanz, den die märchenhafte Handlung braucht. So verbleibt unter dem Strich ein positives Fazit: Farbenpracht, tolle Schauplätze, augenzwinkernd verstrahlte Orient-Abenteuer, edle Filmmusik – Rubins Italo-Dieb von Bagdad mag keine vergessene Filmperle sein, bereitet bei der Wiederentdeckung aber einen Heidenspaß. Ein paar kritische Augen sollte man dabei aber schon zudrücken können.