Water for Elephants – James Newton Howard: „Der faule Glanz der Krise“

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Hollywood sonnt sich gerne im goldenen Glanz vergangener Tage. Man denke nur an Damien Chazelles La-La Land mit seiner Hommage an alte Musicalfilme oder Spielbergs War Horse, der sich in der Kameraarbeit an den Technicolor-Filmen der 30er und 40er Jahre orientiert: Sie alle zitieren das „Golden Age“ des US-Kinos mit Vorliebe. Der Charme des nostalgischen Rückblicks soll den Zuschauer betören, Kitsch und Klischee legitimieren und die Sehnsucht nach vermeintlich besseren Zeiten wecken. Woody Allen hat dieses Retro-Gefühl in seiner Komödie Midnight in Paris von 2011 mit viel Ironie entlarvt: Seine Hauptfigur reist in die Vergangenheit zurück, muss dabei aber ernüchtert feststellen, dass jede Generation sich in ihr ganz eigenes goldenes Zeitalter zurückträumt. Des einen Traumwelt entpuppt sich dabei als grauer Alltag der Anderen. Historienfilme, die einen verklärten Blick zurückwerfen, vollführen deshalb immer einen Spagat zwischen inszenierter Kinomagie und historischer Realität. Und wie schwierig das sein kann, zeigt symptomatisch die im selben Jahr entstandene Bestseller-Adaption Wasser für die Elefanten (Water for Elephants) von Hunger Games-Regisseur Francis Lawrence:

Der Film spielt in der Zeit der Großen Depression, Anfang der 30er Jahre. Er erzählt die Geschichte des angehenden Veterinärs Jacob, den kurz vor seinem Examen der Unfalltod der Eltern aus der Bahn wirft. Fortan schlägt er sich als Vagabund herum und stößt so auf den Wanderzirkus der Benzini Brothers. Spontan schließt er sich dem fahrenden Volk an. Doch die Welt, die er damit betritt, besitzt ihre ganz eigenen Spielregeln: Der Zirkusdirektor August (Christoph Waltz) herrscht hier als wankelmütiger Autokrat mit sadistischen Zügen. Mit seinem Unternehmen steht er angesichts der Wirtschaftskrise kurz vor dem Abgrund. Mit Argusaugen bewacht er deshalb seine Frau Marlena (Reese Witherspoon). Denn sie ist mit ihrer Pferdenummer die Hauptattraktion in der Manege, ohne die der Zirkus vor dem Ruin stünde. Als ihr Pferd erkrankt und den Gnadenschuss erhält, schafft August als Ersatz einen Elefanten an, der von Jacob betreut werden soll. Es kommt, wie es in einer Hollywood-Romanze kommen muss: Bei der gemeinsamen Arbeit mit dem Tier kommen sich Jacob und Marlena langsam näher, und die verbotene Affäre läutet schließlich den Anfang vom Ende der Benzini Brothers ein.

Francis Lawrence erzählt die schlichte Dreiecksgeschichte mit groben Pinselstrichen als genauso altmodisches wie auf Hochglanz poliertes Erzählkino. Dank der erlesenen Kameraarbeit und der detailverliebten Ausstattung stehen die 30er Jahre in prachtvollen Bildern wieder auf. Doch ungeachtet dieser Schauwerte weiß der Film auf keiner Erzählebene zu überzeugen. Vor allem als Sittenbild des Jahres 1931 bleibt er zu oberflächlich. Die Weltwirtschaftskrise findet zwar in den Dialogen Erwähnung. Doch die wirklichen Folgen wirtschaftlicher Not und unmenschlicher Arbeitsbedingungen macht der Film kaum sichtbar. Am deutlichsten lässt sich dies an der Figur Augusts festmachen: Seine Existenz- und Zukunftssorgen sind im Grunde absolut nachvollziehbar. Doch anstatt seiner Figur Tiefe zu verleihen, entwickelt das Drehbuch ihn lieber zum klassischen Hollywood-Bösewicht, einem übellaunigen Choleriker, der Tiere quält und regelmäßig unliebsame Mitarbeiter aus dem fahrenden Zug stoßen lässt. Aber auch den Alltag der Zirkusmitarbeiter zeigt der Film nur geschönt: Statt Hungersnot und Elend inszeniert Lawrence lieber ausschweifende Feste der trinkfesten Männer und Frauen.

Dieses Ausblenden historischer Realität ließe sich verschmerzen, wenn zumindest die zentrale Romanze berühren würde. Doch die Chemie zwischen Robert Pattinson und Resse Witherspoon wirft keine Funken. Beide bleiben in ihren Rollen seltsam blass. Das liegt auch am vorhersehbaren Drehbuch, das überraschungsfrei seinem obligatorischen Happy End entgegensteuert. Umso mehr würde Wasser für die Elefanten eine charismatische Filmmusik helfen, um die zahlreichen Schwächen auszubügeln oder zumindest etwas zu kaschieren. Doch völlig überraschend wirkt auch der Beitrag von James Newton Howard wie am Film vorbei konzipiert. Vermutlich aus Angst vor großen Gefühlsausbrüchen verharrt die Musik überwiegend im Hintergrund und arbeitet sich stattdessen am Temp-Track ab: Allen voran Alexandre Desplats The Curious Case of Benjamin Button stand nämlich hörbar Pate. Sein Anfangsmotiv aus „Postcards“ wird in Wasser für die Elefanten gleich zum Hauptthema. Das eigentliche Problem ist jedoch nicht dieser Klau, sondern ganz grundsätzlicher Natur: Denn in einem kaum verhohlenen Hollywood-Kunstprodukt wie diesem gibt es inhaltlich nur wenige Anknüpfungspunkte für eine subtil-luftige Musikdramaturgie, wie sie Desplat seinerzeit für Fincher schuf. Was Howards Vertonung dagegen fehlt, ist ein markantes Liebesthema, das die Handlung tragen und den Zuschauer mitreißen könnte. Doch genauso wenig vermag es die orchestrale Vertonung, die Faszination der Zirkuswelt in musikalische Bilder zu fassen, weil sie sich darauf konzentriert, den Niedergang der Benzinis in düstere Klangfarben zu tauchen. Zum Problem wird dies nicht zuletzt für die Rahmenhandlung: Wenn der gealterte Jacob am Ende wieder beim Zirkus anheuern möchte, wirkt das schon deshalb wenig plausibel, weil der Film dem Zuschauer in den zwei Stunden zuvor vor allem die Schattenseiten und weniger den besonderen Zauber der untergegangenen Epoche nahe gebracht hat.

Dabei ist die Musik von James Newton Howard, schiebt man den misslungenen Film einmal beiseite, gar nicht so übel. Das Desplat-Thema macht er sich zu eigen, überführt es in die für ihn typischen Streicherharmonien. Dabei schimmern Vorbilder wie Thomas Newman und James Horner zwar durch, doch Howard gelingt es, alle Elemente zu einer soliden pastoralen Filmmusik zu verbinden. Die ist sicherlich nicht sonderlich originell und besitzt im Grund auch keinen großen Repertoire-Wert, kommt aber in ihrer Mischung aus lyrischen und düsteren Stücken mit jazziger Source-Musik durchaus gefällig daher. Den Film rettet das freilich nicht: In Wasser für die Elefanten ist alles Behauptung und nichts wahrhaftig. Und das gleicht einem Todesstoß für eine Produktion, die so gern ein großes Hollywood-Melodram wäre, dafür aber viel zu konturlos bleibt und mit erschreckender Naivität den zeitgeschichtlichen Kontext ausblendet. Der Oberflächenglanz offenbart hier einen faden Beigeschmack: Früher war nicht alles besser und schon gar nicht zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise. Der Hollywood-Lack bröckelt in Wasser für die Elefanten. Das „goldene Zeitalter“ – das hier beschworen wird – es ist keines, auch wenn der Film verzweifelt versucht, etwas anderes zu erzählen.

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