„Von einem, der zurückkam“ – Revenir

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Viele Filme über das Erwachsenwerden handeln vom notwendigen Ausbrechen aus einem widrigen einengenden Lebensumfeld. Das französische Drama Revenir stellt das hingegen infrage, geht den umgekehrten Weg. Hier wird der Ort der Kindheit zu einem Sehnsuchtsort, der neben Aufgaben und Verantwortung, auch eine neue Bestimmung bietet: Der 30jährige Thomas (Niels Schneider) kehrt nach langer Zeit aus seiner Wahlheimat Kanada auf den Hof seiner Eltern im Südosten Frankreichs zurück. Der Anlass ist traurig: Seine Mutter liegt im Sterben und sein Bruder Mathieu ist einige Jahre zuvor bei einem mysteriösen Jagdunfall tödlich verunglückt. Thomas findet den Bauernhof in einem desolaten Zustand vor: Abgehängt von den großen Landwirtschaftsbetrieben sind der Familie die Schulden über den Kopf gewachsen, sodass alle Kühe verkauft und der Betrieb eingestellt werden mussten. Der verhärmte Vater hat Thomas das Weggehen nie verziehen und in seiner Ausweglosigkeit sogar mit der rechtspopulistischen Front National sympathisiert. Mathieus Ex, die Kellnerin Mona (Adèle Exarchopoulos aus Blau ist eine warme Farbe), hält sich derweil als alleinerziehende Mutter mit ihrem 6-jährigen Sohn Alex mehr schlecht als recht über Wasser.

Jessica Palud erzählt mit viel Einfühlungsvermögen wie Thomas sich langsam in eine Welt hinein- oder zurückfindet, die er eigentlich glaubte, längst hinter sich gelassen zu haben. Die Kamera bleibt dabei in vielen Nahaufnahmen eng bei den Figuren. In den Gesichtern spiegeln sich die ganze Resignation und Verzweiflung angesichts zerplatzter Lebensträume und fehlender Perspektiven. Dennoch sind die persönlichen Konflikte in Revenir in erster Linie Konflikte der Vergangenheit. Die Narben kann man zwar noch deutlich sehen, aber lautstark diskutieren muss man sie schon lange nicht mehr. „Ich weiß nicht, was zwischen Euch war, aber das ist vorbei“, sagt Mona einmal in einem nachdenklichen Moment zu Thomas. Und sie hat recht. Die akuten Probleme der Familie sind offensichtlich und Thomas wird dringender denn je gebraucht. Dass er sein neues Leben in Kanada aber derart schnell vergisst und sich in die Rolle des Ersatzvaters fügt, das trägt dann doch leicht märchenhafte Züge. An dieser Stelle macht es sich das Drehbuch eine Spur zu einfach. Funktionieren tut es filmisch trotzdem. Und das liegt vor allem an den starken Hauptdarstellern: Adèle Exarchopoulos und Niels Schneider spielen ihre Rollen mit einer unangestrengten Selbstverständlichkeit, die zu keinem Zeitpunkt um Aufmerksamkeit heischt und gerade deshalb umso mehr berührt. Doch bei aller Natürlichkeit ist Revenir auch ein politischer Film, der mit bitterer Beiläufigkeit davon erzählt, wie gesellschaftspolitische Veränderungen Existenzen ganzer Familien belasten können. Davor aber wegzurennen oder die Augen zu verschließen, das muss Thomas erkennen, kann keine echte Lösung sein.


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