„Verzweifelt gebrüllt“ – The Hill Where Lionesses Roar

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Manchmal können Bilder täuschen: Die drei jungen Frauen, die am Anfang von The Hill Where Lionesses Roar heimlich auf einem Berg übernachten und lustvoll in die Abendsonne brüllen, strotzen nur so vor unbändiger Lebensenergie und Freiheitsdrang. Der weite Blick in die Gebirge des Kosovo verspricht ebenso endlose Perspektiven. Doch in Wirklichkeit kann davon keine Rede sein, denn Qe (Flaka Latifi), Li (Era Balaj) und Jeta (Urate Shabani) stecken mit ihren Familien in einem kleinen Dorf im Nirgendwo fest. Die einzige Option, die sich ihnen bietet, wäre eine arrangierte Ehe. Doch das kommt nicht infrage. Das Klima in der Gemeinde ist rau, wird von sexuellen Übergriffen und marodierenden Banden geprägt. Und weil Sommerferien sind, gibt es nicht viel zu tun. Miteinander abhängen, sich in der Sonne liegend Träumen hingeben, Karten spielen – ein Tag gleicht hier dem anderen. Was Qe, Li und Jeta am Leben hält, ist die Aussicht auf ein Universitätsstudium, für das sich die Freundinnen beworben haben. Als sich diese Hoffnung aber unerwartet zerschlägt, beschließen die Drei, eine Gang zu gründen und sich als „Löwinnen des Berges“ ihre Chance im Leben einzufordern – notfalls auch mit Gewalt.

Das Regiedebüt von Luàna Bajrami nimmt sich viel Zeit, sein Publikum an diesen Ort des eigentümlichen Stillstands zu führen und ein Gefühl, dafür zu vermitteln, was es bedeutet, hier zu leben. Die wunderschönen Landschaftsaufnahmen von Hugo Pateral geben den charismatischen Figuren viel Raum für ihr Aufbegehren und kontrastieren doch mit der sozialen Enge im Dorf, die die Luft zum Atmen nimmt. In einer der stärksten Szenen des Filmes treffen die drei Frauen auf eine gleichaltrige Französin aus Paris, die gerade im Dorf ihre Großmutter besucht. Die sorgt sich ebenfalls um die eigene Zukunft und behauptet, einsam zu sein. Doch der Unterschied zwischen den jungen Frauen könnte kaum größer sein: „Wenigstens wirst Du gefragt, was Du mit Deinem Leben machen möchtest.“ fasst Qe das ganze Dilemma treffend zusammen. Mit präzisen Dialogen wie diesen seziert Luàna Bajramis eine kosovarische Gesellschaft, die noch immer in patriarchalen Strukturen denkt und jungen Frauen keine Perspektiven bietet. Schade nur, dass ihr eindrucksvolles Debüt gegen Ende mit dem Ausflug an den See ein wenig das Gespür für das Erzähltempo verliert und mit einer zynischen Schlussmontage zwar durchaus pointiert, aber leider viel zu abrupt endet.


The Hill Where Lionesses Roar lief im Wettbewerb des Braunschweig International Filmfestivals.

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