The Maltese Falcon & Other Classic Film Scores by Adolph Deutsch

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Wenn das Team Morgan/Stromberg neue Filmmusiken aufnimmt, dann muss es schon etwas Besonderes sein. Einspielungen, die bereits von anderen Labels vorliegen, interessieren sie nicht. Vielmehr geht es den beiden darum, bislang ungehobene Schätze ans Tageslicht zu bringen oder die Aufmerksamkeit auf vernachlässigte und beinahe vergessene Komponisten zu lenken. Allen Aufnahmen gemeinsam sind der hohe Repertoirewert und die liebevolle Machart der Edition. Zum Programm gehören zum einen die großen Golden Age-Komponisten wie Bernard Herrmann und Max Steiner (Der Schatz der Sierra Madre, King Kong). Zum anderen werden aber auch immer wieder wenig bekannte Namen ins Blicklicht gerückt.

In die zuletzt genannte Kategorie fällt auch die neue Marco Polo-CD mit Filmmusiken von Adolph Deutsch. Der 1897 in London geborene Deutsch kam im Alter von dreizehn Jahren in die Staaten. Anfang der 30er-Jahre orchestrierte und dirigierte er eine ganze Reihe von Broadway-Musicals. Erst 1937 nahm ihn Warner unter Vertrag. Unter den über siebzig Produktionen, die er bis 1961 vertonte, sind zahlreiche Klassiker – darunter: Die Spur des Falken (1941), High Sierra (1941) und die Billy Wilder-Komödien Manche mögen’s heiß (1959) und Das Appartement (1960). In den 50er-Jahren bekam er auch wieder die Gelegenheit, Musicals zu schreiben. Für Annie get your Gun (1950), Seven Brides for seven Brothers (1954) und Oklahoma! (1955) wurde er jeweils mit dem Oscar geehrt.

Morgan & Stromberg widmen sich auf ihrem Sampler fünf Filmmusiken, die Adolph Deutsch Anfang der 40er-Jahre geschrieben hat und die den Komponisten von ganz unterschiedlichen Seiten zeigen: Den Anfang macht The Maltese Falcon – Die Spur des Falken, der das Genre des Film Noir und die Regiekarriere John Hustons begründete. Wer bislang nur die deutsche Fassung des Filmes gesehen hat, wird die Filmmusik von Adolph Deutsch nicht kennen. Denn davon ist in der deutschen Synchronisation kaum etwas zu hören. Die düstere, atmosphärische Komposition wurde im krassen Kontrast durch leichte Swing- und Jazzstücke ersetzt. Die ebenfalls erhältliche DVD macht den spannenden Vergleich möglich und bietet auch einem breiten Publikum erstmals die Gelegenheit, die Originalfassung zusammen mit den Bildern zu hören. Das dramatische 8-Noten-Motiv für den Falken durchzieht die gesamte Partitur und ist auch Basis der knapp vierzehnminütigen Suite. Deutsch musste budgetbedingt mit einem kleineren Orchester auskommen. Trotzdem zeigt sich hier sein ganzes Können. Die Spur des Falken ist eine spannungsgeladene, intensive Vertonung, die viel zur Atmosphäre des Filmes beiträgt.

Eine tolle Komödienmusik bietet George Washington slept here (1942), die ihre Wurzeln im Cartoon-Scoring von Carl Stalling hat. Mit witzigem Mickey Mousing und einer prachtvollen Orchestrierung stiehlt die pfiffige elfminütige Suite den „ernsten“ Filmmusiken ein ums andere Mal die Schau. Die Komposition zu The Mask of Dimitrus ist der zu Die Spur des Falken nahe verwandt. Dank eines größeren Budgets stand Deutsch für die ähnlich atmosphärische Arbeit ein größeres Orchester zur Verfügung. Den exotischen Schauplätzen der Handlung trägt eine vielfältige Orchestrierung Rechnung (Celesta, Marimbas, Vibraphone etc. kommen zum Einsatz). Die ethnischen Anteile sind dezent in die Musik integriert. Schwelgerische Folklore findet sich hier nicht. Insgesamt handelt es sich um eine ähnliche packende Komposition wie beim „Falken“ – vielleicht sogar eine Spur abwechslungsreicher.

Melodischer und deutlich seinem Kollegen Max Steiner angenähert, präsentiert sich Deutsch in High Sierra von John Huston – zusammen mit George Washington slept here der eingängigste Beitrag der CD. Klangschön, reizvoll orchestriert und trotzdem sparsam im Einsatz der Mittel, schafft Deutsch hier seine ganz eigene Version einer melodramatischen Hollywood-Komposition aus dem Golden Age.

Für das patriotische Kriegsabenteuer Northern Pursuit, in dem ein kanadischer Mountie eine Gruppe von Nazis in Kanada aufhält, griff Deutsch auf drei Zitate zurück: das kanadische Nationallied „Maple Leaf Forever!“ für die Mounties und das Deutschlandlied für die Nazis, ein beliebter Kunstgriff für Kriegsfilme der 40er Jahre. Aus Beethovens fünfter (V für Victory) Symphonie erklingt am Ende der Komposition das berühmte Schicksals-Motiv. Diese – letzte – Suite des Albums zeigt noch einmal die charakteristische Handschrift des Komponisten: stimmungsbezogene, atmosphärische Vertonungen mit einer exzellent gearbeiteten Orchestrierung. Dazu der Verzicht auf breit ausschwingende Melodien und eine eher europäischen Komponisten wie Hindemith und Eisler, denn den Hollywood-Kollegen zugewandte Tonsprache.

Wie bei vielen Golden Age-Kompositionen verlangt auch das Deutsch-Album von Marco Polo einige Einhörarbeit. Wer diese leistet, wird schnell bemerken, dass Adolph Deutsch eine lange Zeit zu Unrecht vernachlässigter Komponist ist. Die vorzügliche CD (mit gewohnt ausführlichem Booklet) macht Lust auf mehr von diesem so interessanten Komponisten. Möglich wäre es. Die Universität von Wyoming ist im Besitz vieler Deutsch-Partituren, die nur darauf warten, wiederentdeckt zu werden.