The Danish Girl – Alexandre Desplat

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Eddie Redmayne & Alicia Vikander
©Universal

Zugegeben: Leicht macht es Alexandre Desplat Filmmusik-Hörern nicht. Jahr für Jahr vertont der Franzose einen Film nach dem nächsten. Die Mittel, derer er sich dabei bedient, liegen meist sehr nah beieinander. Ob nun Chéri, Der seltsame Fall des Benjamin Button oder The Imitation Game: Stilistische Vielfalt sieht wahrlich anders aus. Auch seine Musik zur Filmbiografie The Danish Girl bringt im Grunde wenig Neues. Wieder einmal begegnen dem Hörer genau jene „kreisenden“ Motive und minimalistischen Strukturen, mit denen Desplat vor allem im Kostümfilmgenre (und nicht nur dort) seit Jahr und Tag arbeitet. Das mag auf den ersten Blick verärgern. Doch zumindest im vorliegenden Fall erscheint das reichlich abgenutzte Vertonungskonzept durchaus angemessen. Denn der Film von Tom Hooper (The King’s Speech) scheut gleichermaßen jegliche Experimente und setzt in erster Linie auf elegantes Erzählkino in bester Hollywood-Tradition.

Oscar-prämiert: Alicia Vikander als Gerda Wegener ©Universal

Im Mittelpunkt steht das Malerehepaar Einar und Gerda Wegener (Eddie Redmayne, Alicia Vikander), das in den zwanziger Jahren erst in Kopenhagen und später in Paris eine zunächst glücklich scheinende Ehe führt. Doch im Inneren von Einar brodelt es: Er fühlt sich als Frau – gefangen im Körper eines Mannes. Als Gerda ihm eher zufällig Kleider anziehen und für eines ihrer Werke Modell stehen lässt, gibt es für ihn kein Zurück mehr. Lily, Einar Wegeners feminine Variante, ist geboren. The Danish Girl begleitet den gemeinsamen Weg des Paares bis hin zur ersten historisch verbürgten Geschlechtsumwandlung, seinerzeit durchgeführt von einem deutschen Arzt in Dresden. Dabei gründet die Handlung nur lose auf historischen Fakten: Im Film sehen wir Gerda ihrem Mann bis zum Ende nicht von der Seite weichen. In Wirklichkeit war das Gegenteil der Fall: Die Ehe driftete schon frühzeitig auseinander.  Die bedingungslose Selbstaufopferung Gerdas bleibt somit eine rein filmische Behauptung, ein romantisiertes Ideal, welches das Drehbuch zu keinem Zeitpunkt infrage stellt.  Dass das im Film überhaupt funktioniert, liegt vor allem an der famosen Hauptdarstellerin:  Alicia Vikander füllt ihre Rolle zwischen Lebensfreude, Hingabe und Verletzlichkeit so eindrucksvoll aus, dass man auch als Zuschauer nicht an ihren Motiven zweifelt. Völlig zu Recht wurde die junge Mimin für ihre Rolle mit dem Oscar für die beste Nebendarstellerin ausgezeichnet.

Aus Einar wird Lily: Eddie Redmayne
©Universal

Von solchen Ehren ist Alexandre Desplat derzeit weit entfernt. Seine Arbeit zu The Danish Girl wurde zwar für den Golden Globe nominiert, bei den Oscars jedoch nicht berücksichtigt. Das ist nicht ganz unverständlich, bei so vielen gleichförmigen Vertonungen des Franzosen in den letzten Jahren. Wer sich auf The Danish Girl trotz kaum vermeidbarer Ermüdungserscheinungen einlässt, könnte aber dennoch positiv überrascht werden. Die Musik ist nämlich – bei allen Manierismen – überraschend delikat und feingliedrig gestaltet. Den sehnsuchtsvollen elegischen Hauptthemen steht eine luftige Instrumentierung mit Arpeggios von Harfe und Klavier sowie reizvollen Soli der Holzbläser gegenüber. Der spielerisch tänzelnde Charakter der Begleitstimmen mag angesichts des ernsten Themas überraschen, spiegelt aber zugleich den anfänglich noch ungezwungenen Umgang des Paares mit Einars Identitätssuche. Erst als der „Wunsch der Frauwerdung“ die Ehe immer weiter überschattet und letztlich zerstört, wird parallel der Gestus von Desplats Musik zurückhaltender. Doch obwohl The Danish Girl auch eine Leidensgeschichte ist – in letzter Konsequenz muss Einars Wunsch unerfüllt bleiben – verliert die Komposition nie ganz ihre lyrischen Qualitäten, ihre innere Wärme. Dies ist natürlich ebenfalls in der (fiktiven) Handlung angelegt: Wenngleich die Ehe scheitert, bleiben Liebe und Loyalität zwischen Einar und Gerda trotz aller Widrigkeiten bestehen.

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In mancher Filmkritik zu The Danish Girl wurde Desplats Filmmusik als süßlich-verkitschte Klangtapete kritisiert. Seltsam harte Worte angesichts einer sehr konzentrierten Vertonung, die einfühlsam die Stimmungen der Vorlage auslotet und mit reizvollen melodischen Einfällen glänzt. Vielleicht richtet sich die Kritik auch mehr an Tom Hooper, dessen Filme seit dem Oscar-Abräumer The King’s Speech wiederholt vom Feuilleton als weichgespültes Historienkino gescholten wurden. Ganz aus der Luft gegriffen sind diese Vorwürfe tatsächlich nicht. Sein Melodram stellt eine Liebesgeschichte in den Mittelpunkt, die es in der gezeigten Konsequenz in der Realität überhaupt nicht gegeben hat. Das darf und muss man kritisieren. Doch davon abgesehen macht The Danish Girl vieles richtig: Das exzellent gespielte Drama widmet sich der Transgender-Problematik mit einem warmherzigen, angenehm unverkrampften Blick. Die erlesene Kameraarbeit und die sorgfältige Ausstattung wecken zugleich Erinnerungen an das Kino von James Ivory (Maurice, Zimmer mit Aussicht). Die edle Musik von Alexandre Desplat trägt ihren Teil zum berührenden Film bei. Und wie der Film, so die Musik: Gute Traditionen werden hier gepflegt. Das muss man sicher nicht mögen, kann man aber durchaus.


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