Tag 3: Anders reisen

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Es ist auf Filmfestivals üblich, dass Gäste ihre Filme begleiten und den Zuschauern im Kinosaal vor dem Film eine gute Projektion wünschen und nach dem Abspann für Fragen zur Verfügung stehen. Zu einer drolligen Situation kam es bei Claude Dutys Komödie Chez nous, c’est trois! – Bei uns sind’s drei, die in der Reihe „Filme aus der Haute-Normandie“ gezeigt wurde: Der Regisseur stellte beim Filmfest nämlich einen Film vor, der eine Regisseurin zeigt, die einen ihrer Filme auf einer Tournee vorstellt.

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Bei uns sind’s drei (Frankreich 2013)

Bei uns sind’s drei erzählt von einer Filmemacherin in der Midlife-Crisis. Gerade von ihrem Freund verlassen, nimmt sie das Angebot an, in ihrer Heimatregion eines ihrer Werke vorzustellen. Sie begegnet einer alten Liebe wieder, trifft auf ganz unterschiedlich interessierte Zuschauer und steht vor der Entscheidung, wie sie ihr Leben weiter gestalten soll.

Claude Dutys ist mit seinem Film eine leichtfüßige wie harmlose Sommerkomödie gelungen, die ansprechend unterhält, ohne sonderlich tiefgründig zu sein. Als Zuschauer lässt man sich gerne auf diese Reise durch die sonnendurchfluteten Landschaften und Dörfer der Haute-Normandie ein. Doch die schönen Bilder und die sympathischen Charaktere können nicht verhindern, dass man am Ende denkt, dass es doch etwas mehr hätte sein dürfen. Zu einfach lösen sich in Bei uns sind’s drei Konflikte in Wohlgefallen auf.

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Hannas Reise (Deutschland/Israel 2013)

Ein Auslandsaufenthalt in Israel, die Arbeit mit Behinderten und die Begegnung mit Holocaust-Überlebenden – genau damit will die junge Hanna (Karoline Schuch), ihren Lebenslauf aufhübschen, um ihre Jobchancen bei einer Unternehmensberatung zu verbessern. Am besten nur auf dem Papier, denn ihre Mutter arbeitet in einer Agentur, die solche ehrenamtliche Stellen in Tel Aviv vermittelt. Doch diese schickt die Tochter tatsächlich nach Israel. Hannas Karrierestreben wird auf die Probe gestellt, als sie in eine chaotische WG einzieht und sich auch noch in ihren Arbeitskollegen Itay verliebt.

Julia von Heinz erzählt in ihrem Film auf erfrischende Weise von kulturellen Unterschieden, bricht mit steifen Klischees und Vorurteilen. Die irrwitzigen Wortgefechte zwischen Hanna und Itay oder ihren WG-Mitbewohnern gehören zu den stärksten Momenten der charmanten Geschichte. Aber auch der Umgang mit dem Thema Holocaust ist angenehm unverkrampft. Schwächen hat der Film darin, Hannas Wandlung ausreichend zu motivieren. Dies mag daran liegen, dass ihre Begegnung mit der fremden Kultur und dem Spannungsfeld des Nahost-Konflikts vom Drehbuch mehr behauptet denn tatsächlich gezeigt wird. So inszeniert Julia von Heinz in ihrem Film in erster Linie eine konventionelle Liebesgeschichte. Die zum Teil bissigen Dialoge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Romanze zwischen Hanna und Itay alle gesellschaftspolitischen Themen und den Schauplatz Israel zu Kulissen degradiert. Damit verschenkt Hannas Reise – so unterhaltsam und reizvoll der Film auch ist – viel Potenzial.

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The new World (Niederlande 2013)

Eine interkulturelle Begegnung der besonderen Art schildert der niederländische Spielfilm De Nieuwe Wereld – The new World, der um den Publikumspreis, den Heinrich, konkurriert: Auf dem Flughafen Schiphol in Amsterdam trifft die verhärmte und nicht minder zynische Reinigungskraft Mirte (großartig: Bianca Krijgsman) auf den Asyl suchenden Luc aus der Elfenbeinküste. Ihm droht die Abschiebung in die Heimat. Bis dahin muss er nun zehn Tage in einem isolierten Trakt des Flughafens (der angeblich real existiert) verbringen. Die charismatische Präsenz des Westafrikaners bringt Mirte aus dem Tritt und gibt ihr den entscheidenden Impuls, mit ihrem eingefahrenen Alltag zu brechen.

Natürlich erzählt Jaap van Heusden in seinem ursprünglich für das niederländische Fernsehen konzipierten Film nicht nur von einer zarten Romanze, sondern auch über das beklemmende Schicksal von Immigranten und den quälend-ungewissen Tagen in dem Asylheim. Dennoch ist es die Figur der Mirte, die den Film trägt. Wenn sie anfangs mit den Beamten darum wettet, welche Asylsuchende es wohl schaffen werden, den Flüchtlingen Telefonzeit am Handy gegen Wertsachen verkauft oder einfach nur die Menschen harsch zur Seite pfeift, wenn sie über den frisch gefeudelten Boden gehen wollen: The New World ist vor allem der Film der Hauptdarstellerin Bianca Krijgsman, die in den Niederlanden eigentlich als Komikerin bekannt ist. Krijgsman spielt diese Rolle mit steifer Zurückhaltung und wundervoller Mimik so grandios, dass man trotz ihres bitteren Zynismus als Zuschauer jederzeit mit ihr sympathisiert.

The new World schildert Mirtes langsame Wandlung mit großer Einfühlsamkeit. So porträtiert van Heusden Einsamkeit und Isolation auf verschiedenen Ebenen. Mirte in ihrem grauen Wohnblock, Luc in den von kühlen Neonlichtern bestimmten Räumen des Asylheims. Nur während Luc sein Schicksal nicht selbst bestimmen kann, hat Mirte dazu alle Freiheiten. Dies zu verdeutlichen, ist einer der großen Verdienste des eindrucksvollen Dramas.