Slumdog Millionaire – AR Rahman

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In Indien ist A R Rahman längst ein Superstar. Mit der Musik zum Filmdrama Slumdog Millionaire (nach dem Besteller Rupien! Rupien!) gelang dem in seiner Heimat vielfach preisgekrönten und umjubelten Bollywood-Komponisten nun auch international der große Durchbruch. Es ist nach der Zusammenarbeit mit Mychael Danna beim Indiendrama Water (2005) und dem Kostümepos Elizabeth – The Golden Age (2007) bereits der dritte Anlauf, auch jenseits der eigenen Landesgrenzen für Furore zu sorgen. Slumdog Millionaire erweist sich dafür als geradezu prädestiniertes, besonders dankbares Projekt: Denn beim Feel-Good-Movie von Danny Boyle konnte Rahman genau das tun, was er am besten kann: Mitreißende Bollywood-Songs komponieren.

Seine sowohl mit dem Golden Globe als auch dem Oscar ausgezeichnete Musik bietet eine raffinierte Fusion aus Bollywood-Liedgut bzw. indischer Folklore und stärker westlichen orientierten Stilrichtungen wie Rap, Hiphop und Techno. Rahman arbeitet mit grellen Klangfarben, harten Rhythmen und Geräuscheffekten, die den urbanen Schmelztiegel der so chaotischen wie schnelllebigen Millionenmetropole Mumbai effektvoll musikalisch einfangen. Popmusik ist in Indien fast zwangsläufig immer auch Filmmusik, weil Songs ausschließlich für Filme geschrieben und dementsprechend vorwiegend auch über diesen Kontext kennengelernt werden. Dies geht sogar so weit, dass im Indischen Mainstream-Kino eine Filmmusik, die alleine aus einem traditionellen Underscoring besteht – so wie wir sie kennen – praktisch gar nicht existiert. Bollywood-Filme sind deshalb fast immer musicalhaft in ihrem Gestus. So verwundert es wenig, dass in der Musik zu Slumdog Millionaire lediglich zwei reine (allerdings vollständig elektronisch gehaltene) Instrumentalstücke vorkommen. Der Rest besteht aus eingängigen Popsongs, die ganz klar auf die Musiktrends des westlichen Marktes schielen und sich damit ein gutes Stückchen vom traditionellen Bollywood-Sound entfernen. Zwei besonders mitreißende unter ihnen, „O Saya“ und „Jai Ho“, waren übrigens ebenfalls für den Song-Oscar nominiert, „Jai Ho“ gewann schließlich ebenfalls die begehrte Trophäe.

Dass sich eine solche Filmmusik den üblichen Bewertungskriterien entzieht, dürfte in der Natur der Sache liegen. Insbesondere lässt sie sich stilistisch kaum mit den anderen orchestralen Filmmusiken vergleichen, die parallel für den Golden Globe bzw. den Oscar nominiert waren. So stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die Ehrung von Slumdog Millionaire nicht allein ein in unserem Kulturkreis ungewöhnliches Vertonungskonzept honoriert, schlichtweg weil es „anders“ klingt und nicht etwa für sich genommen besonders herausragend ist. Zumal es aufgrund zahlreicher Ko-Autoren bei den Songs schwerfällt, die Arbeitsleistung Rahmans vernünftig einzustufen (Drei Songs wurden nicht einmal von Rahman geschrieben). Wie im Falle von Gustavo Santaolallas Babel läuft der immense Hype um den Film und seine Musik damit zwangsläufig Gefahr, die eigentlich sympathische und unterhaltsame Vertonung hoffnungslos zu überschätzen. Und das ist schade, denn der gelungene musikalische Cocktail aus Bollywood und westlichen Poptrends macht – vorausgesetzt man mag diese Art der Musik – durchaus Spaß. Superlative braucht die Filmmusik dafür allerdings genau so wenig wie den Glamour filmmusikalischer Auszeichnungen, mit dem sich die meisten Juroren vermutlich allein einen kosmopolitischen Anstrich verleihen wollten.