Rogue One: A Star Wars Story – Michael Giacchino

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„Effektspektakel im Stil eines Kriegsfilms“

Star Wars im Jahrestakt: Der Hype um den Krieg der Sterne, den George Lucas 1977 mit dem ersten Kinofilm begann, ist mittlerweile an einem weiteren Höhepunkt angelangt. Lagen zwischen den einzelnen Episoden früher viele Jahre, geht es nach dem Abverkauf der Rechte an die Walt Disney Studios nunmehr Schlag auf Schlag. Den Anfang machte 2015 Star Wars VII – The Force Awakens. Und um die Zeit bis zur nächsten Episode  zu vertreiben, folgte Ende 2016 mit Rogue One – A Star Wars Story eine Art erzählerisches Zwischenspiel. Das von Gareth Edwards im Stil eines Kriegsfilms inszenierte Effekt-Spektakel schließt inhaltlich die Lücke zwischen den Prequels (den Episoden 1-3) und der darauffolgenden Ur-Trilogie (Episoden 4-6). In Rogue One erfahren Fans, wie die Rebellen in den Besitz der Baupläne für den Todesstern gelangt sind, die im 77er Krieg der Sterne schließlich als Triebfeder der Handlung Anlass zu neuer Hoffnung gaben.

Neben seiner Funktion als Bindeglied beschreitet Rogue One aber auch bewusst neue Wege: Im Gegensatz zu den anderen Filmen nimmt die Inszenierung die Rebellen und ihren Kampf gegen den übermächtig erscheinenden Feind ungewöhnlich ernst. Der Film rückt das Märchenhaft-Verspielte der Star Wars-Saga in den Hintergrund und erzählt überraschend nüchtern von den Opfern, die der Widerstand jedem Einzelnen abverlangt. Wie schon in The Force Awakens steht eine junge Frau im Zentrum der Handlung: Felicity Jones spielt Jynn Erso, die sich nach anfänglichen Vorbehalten dem Kampf der Rebellen gegen das Imperium anschließt. Wie Luke Skywalker und Rey wuchs sie ohne Eltern auf: Während ihrer Kindheit wurde die Mutter von den Schergen des imperialen Offiziers Orson Krennic (Ben Mendelsohn) getötet. Den Vater, Galen Erso (Mads Mikkelsen), zwang man unterdessen, an der Entwicklung des Todessterns mitzuarbeiten. Dadurch gerät er viele Jahre später ins Visier der Rebellen, die glauben, der Wissenschaftler sei längst zum Feind übergelaufen. Die inzwischen erwachsene Jynn soll helfen, den eigenen Vater aufzuspüren und die Fertigstellung der todbringenden Waffe zu verhindern.

Wie schon The Force Awakens ist auch Rogue One um den stilistischen Brückenschlag zu den alten Episoden bemüht. In Teilen gelingt das durchaus: Ausstattung und Kostüme überzeugen. Und die Handlung füllt geschickt einige der inhaltlichen Lücken in der Gesamtchronologie aus. Ganz anders die Inszenierung: Sie orientiert sich vor allem am gegenwärtigen Blockbuster-Kino. Mit hektischen Schnitten, wilden Kamerafahrten und viel CGI eilt der Film rastlos von Szene zu Szene. Dabei werden Atmosphäre und Figurenzeichnung immer wieder sträflich vernachlässigt. Die eigentliche Grundidee, vom Preis der Rebellion zu erzählen, erscheint zwar reizvoll. Doch natürlich darf das Drehbuch im milliardenschweren Star Wars-Franchise die Abgründe von Krieg und Gewalt nicht vollständig ausloten. Das käme womöglich auch einem zu großen Stilbruch gleich. Und so vermag Rogue One nur an der Oberfläche zu kratzen. Die holzschnittartigen Charaktere und die formelhaft entwickelte Handlung erzeugen keine Fallhöhe und berühren deshalb auch nicht. Und das verhältnismäßig düstere Finale bleibt in seinem theatralischen Pathos letztendlich eher comichaft abstrakt und verschenkt damit viel Potenzial.

„Viel Wirbel gab es auch um die Entstehung der Filmmusik zu Rogue One“

Viel Wirbel gab es auch um die Entstehung der Filmmusik zu Rogue One: Der eigentlich vorgesehene Alexandre Desplat musste wegen angeblicher Terminkonflikte (der finale Cut des Filmes verzögerte sich aufgrund von Nachdrehs) das Feld räumen. Quasi in letzter Sekunde wurde Michael Giacchino engagiert. Der eigentlich 2016 bereits gut ausgelastete Komponist stand plötzlich vor der Herkules-Aufgabe, in nur vier Wochen über zwei Stunden neue Musik schreiben zu müssen.  Dazu die Herausforderung, in die Fußstapfen von John Williams zu treten, der das musikalische Bild der Weltraumsaga zuvor maßgeblich und vor allem nahezu ausschließlich geprägt hatte.

Zugegeben: so richtig zugetraut haben Giacchino diesen Kraftakt wohl die wenigsten. Und tatsächlich ist seine Musik nicht unumstritten und wird kontrovers diskutiert. Dabei tut der Begegnung mit der Rogue One-Musik ein bisschen Gelassenheit durchaus gut. Was der 49-Jährige hier nämlich abgeliefert hat, kann zwar nicht mit den besten Filmmusiken der Saga mithalten, ist deshalb aber noch lange kein „Williams für Arme“ geworden. Vielmehr bläst seine Vertonung auf spannende Weise frischen Wind in den ehrwürdigen Star Wars-Franchise. Giacchino verbindet alt und neu, indem er den bekannten Leitmotiven durch geschickte Variation immer wieder neues thematisches Material abgewinnt. Aus den Noten der berühmten Star Wars-Fanfare entwickelt er etwa ein strahlendes Hauptthema, das als Hoffnungs-Thema den Film durchzieht. Die lyrische Melodie für Jynn Erso (die zugleich an „Night on the Yorktown“ aus Star Trek: Beyond erinnert) basiert auf einem Motiv aus Episode IV. Und den umtriebigen Schurken Krennic begleitet ein zackiger Marsch, ganz im Geiste von Darth Vader und dessen berühmten „Imperial March“.

Rogue One klingt viel dreckiger und direkter als The Force Awakens.“

Weil seine Themen auf motivischen Keimzellen von John Williams aufbauen, fügt sich Giachinos Vertonung bruchlos in den Kanon der bisherigen Vertonungen ein. Dennoch unterscheidet sich die Klangsprache in Rogue One merklich von der Williamschen Fortsetzung der Saga in The Force Awakens. Besonders deutlich wird dies in den kantigen Spannungssequenzen, die sich vor allem die Filmmusiken der 70er Jahre zum Vorbild nehmen, gleichzeitig aber auch Giacchinos eigene Handschrift aufweisen. Rogue One klingt dem Kriegsfilm-Topos entsprechend dreckiger und direkter als The Force Awakens.  Die Virtuosität der Williams-Vertonung erreicht Giacchino so zwar nicht. Doch die Musik gleicht dieses Manko mit viele Verve und Frische wieder aus.  Wer sich etwas eingehört und die neuen Themen für sich erschlossen hat, mag darum Williams gar nicht so sehr vermissen, wie ursprünglich gedacht. Und wenn doch: Die Saga geht weiter. Disney will es so.  Mit neuen Musiken. Vorerst im Jahrestakt.

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