Rendition / Before the Rains / Traitor – Mark Kilian

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„Die Beziehung zwischen Musik und Soundeffekten im gegenwärtigen populärem Hollywood-Kino“ – so lautete das Thema einer wissenschaftlichen Arbeit von Mark Kilian während seiner Studien an der Universität von Natal im südafrikanischen Durban Anfang der 90er Jahre. Über 15 Jahre später hat der in Johannesburg geborene Komponist selbst Karriere als Filmkomponist in Hollywood gemacht. Internationale Bekanntheit erlangte er zusammen mit seinem Kollegen Paul Hepker im Jahr 2004 mit der Musik zu Gavin Hoods Oscar-prämierten Südafrika-Drama Tsotsi. Damals war die Musik des Duos noch kaum mehr als ein atmosphärisches Bindeglied zwischen den zahlreichen Rap- und Hiphop-Songs. Doch ausgerechnet der weltweite Erfolg des Filmes brachte weitere Engagements mit größerem Bedarf an Originalmusik ein. Drei von ihnen sollen in diesem Special vorgestellt werden:

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Rendition (2007)

Der nächste Film von Gavin Hood nach Tsotsi war der Politikthriller Machtlos – Rendition (2007), in dem ein in den Staaten lebender Südafrikaner mit Hilfe des CIA als vermeintlicher Terrorist in einem Afrikanischen Gefängnis ohne Rechte festgehalten und gefoltert wird. Die Musik wurde abermals von Kilian und Hepker komponiert. Sie orientiert sich an derzeit üblichen Genre-Standards im Action- und Thrillergenre, ist dementsprechend von rhythmisch gestalteten Spannungspassagen und dem Spiel des um einzelne ethnische Instrumente verstärkten Orchesters geprägt. Ein melancholisches Thema, dass vom unvermeidlichen Duduk vorgestellt wird und in verschiedenen Arrangements (Streicher, Klavier) aber ohne Variation die Musik durchzieht, spiegelt die verzweifelte Lage des Protagonisten und seiner in den Staaten zurückgebliebenen Familie. Wie schon in Tsotsi, allerdings weniger prominent, gehören moderne afrikanische Popsongs mit zum Vertonungskonzept. In ihrem ethnischen Kolorit und den poppigen Beats zwar phasenweise unterhaltsam, mangelt es der Musik am Ende dennoch an kompositorischer Substanz und narrativen Qualitäten. Zu ausgiebig arbeitet das Duo Hepker/Kilian mit perkussiven Klangkollagen und atmosphärischen Klangflächen, die über ihrem primären Zweck, die reine Filmdienlichkeit, selten hinauskommen.

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Before the Rains (2008)

Auch in der Musik zum Indien-Drama Before the Rains, das die Geschichte eines Gewürz-Barons in den 30er Jahren erzählt, bleibt Mark Kilians Vertonung dem bereits bei Rendition anzutreffenden Vertonungskonzept treu. Erwartungsgemäß bekommt es der Hörer hier mit indischer Folklore (ein Ensemble bestehend aus Bansuri, Tablas, Mridangam usw.) zu tun, doch bleibt die Vertonung des Südafrikaners eher atmosphärisch gehalten, baut mehr auf ethnisch gestaltete Klangtexturen und Vokalisen bzw. Chorgesang, anstatt eine Musikdramaturgie im klassischen Sinne zu verfolgen. Das vom Chor geraunte Hauptthema ist da noch einer der wenigen melodischen Bezugspunkte einer in ätherischen, mitunter meditativen Klangkollagen badenden Vertonung. Vor allem in der perkussiven Gestaltung der dramatischen Sequenzen des Filmes ist die Rendition-Musik im Grunde gar nicht so weit weg, wie sich vielleicht in Anbetracht so unterschiedlicher Sujets beider Filme erwarten ließe. Mark Kilian hat für seine Arbeit eigens vor Ort in Indien Musik-Recherchen betrieben. Dieses ehrenwerte Bemühen um Authentizität im exotischen Kolorit wird in Before the Rains durchaus spürbar. Dennoch bleibt am Ende der Wunsch nach mehr musikalischen Gehalt übrig. Zu ziellos plätschert Before the the Rains vor sich hin, um autonom auf CD überzeugen zu können.

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Traitor (2008)

Ähnliches gilt für die ebenfalls 2008 entstandene Traitor-Vertonung, mit der Kilian stilistisch noch stärker als zuvor in Before the Rains an die Musik zu Rendition anknüpft. Auch hier dominiert ein kollagen-artiger Kompositionsstil, der das Spiel des Orchesters (vorwiegend Streicher), Soli ethnischer Instrumente wie z.B. Oud (ein Vorläufer der Laute) oder Ney (eine altertümliche Flöte) und elektronisch erzeugte Rhythmik miteinander verbindet. Dazu gibt es die bei allen hier vorgestellten Kilian-Vertonungen anzutreffenden Gesangsanteile und zusätzlich Soli der elektronischen Violine. Wie bei Rendition entwickelt sich auch Traitor zu einer Komposition, die weltmusikalische Pop-Trends mit den Standards einer Thriller-Vertonung dieser Tage verknüpft. Es gibt Momente, in denen diese Fusion durchaus glückt und in ihren ethnischen Färbungen durchaus reizvoll erscheint. Doch unterm Strich sind es erneut die Neigung zum Sound Design und der Hang zu rein atmosphärischen Klangtexturen, die auf Dauer mehr ermüden denn mitreißen.

Fazit

Mark Kilian hat seine wissenschaftlichen Arbeiten während des Studiums und seine anschließenden Erfahrungen bei Pop-Bands in Südafrika verinnerlicht und sie hörbar in seine eigenen Musiken einfließen lassen. So sorgfältig und ambitioniert diese jedoch mitunter instrumentiert sind und so reizvoll er Ethnisches in seine Vertonungen integriert, so sehr bleiben sie allerdings meist auch allein atmosphärische Kulisse des jeweiligen Filmes. Gerade das Historiendrama Before the Rains hätte sich möglicherweise für eine traditionellere, auch abseits der Bilder tragfähigere Vertonung angeboten. Doch alle hier vorgestellten Arbeiten von Mark Kilian ähneln einander in den von Klangflächen und perkussiven Texturen geprägten Vertonungslösungen. Typisch für die neue Generation an Filmkomponisten in Hollywood? Ohne Zweifel. Kilians Arbeiten liegen voll im Trend. Dennoch bleibt allein abzuwarten, ob diese Garde junger Komponisten auch vielseitig und talentiert genug sein wird, um sich neuen Entwicklungen anzupassen, die mit der Zeit unweigerlich auf sie zukommen werden.