Remmi-Demmi in Braunschweig – Eröffnungskonzert Henry V.

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Shakespeare Remmi-Demmi in Braunschweig! So heißt zumindest eine der zahlreichen Filmreihen des Festivals, die sich ganz unterschiedlichen Adaptionen von Werken des Barden widmet. Der schottische Filmkomponist Patrick Doyle, der nicht zuletzt für seine Vertonungen der Shakespeare-Filme Kenneth Branaghs bekannt ist, erhält einen Ehrenpreis. Was lag also näher, als auch den Auftakt des 30. Braunschweiger Filmfestivals ganz in das Zeichen des berühmten Dichters zu stellen. Mit Laurence Oliviers Henry V von 1944 mit der Musik von William Walton (1902–1983) fiel die Wahl der Organisatoren auf eine Adaption, die zwar Filmgeschichte geschrieben hat, aber zuletzt drohte, ein wenig in Vergessenheit zu geraten. So bot das Auftaktkonzert eine gute Gelegenheit, eine Neubegegnung zu wagen, zumal diese beim filmmusikerfahrenen Braunschweiger Staatsorchester und seinem vielseitigen Dirigenten Helmut Imig in gewohnt guten Händen lag.

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Warum die Shakespeare-Filme von Laurence Olivier heute eher selten gezeigt werden, davon konnte sich das Braunschweiger Publikum bei der Eröffnung selbst ein Bild machen: Das Drama an sich eignet sich durch seine episodenhafte Erzählstruktur nur bedingt für die filmische Aufbereitung. Die Vielzahl auftretender Figuren sind visuell nur schwer zu transportieren. So krankt Oliviers Film aus heutiger Sicht ein wenig daran, dass ihm primär in der ersten Hälfte die nötige Klarheit fehlt, die zentralen Konflikte herauszuarbeiten. Die Inszenierung der „Schlacht von Agincourt“ gegen Ende wollte Winston Churchill während des Zweiten Weltkriegs zur Erbauung der Truppen genutzt wissen. Textpassagen und Szenen der Vorlage, die ein kritisches Licht auf Henry werfen, mussten daher der Schere zum Opfer fallen. Das Bild des vorbildhaften Monarchen und des ehrenwerten Kampfes sollte durch nichts getrübt werden. Diese fehlende moralische Ambiguität der filmischen Umsetzung wirkt mit dem Blick von heute natürlich eher befremdlich.

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Aber auch wenn sich Henry V als Kind seiner Zeit nicht zu einem rundum fesselnden Kinoerlebnis entwickelt, steckt Oliviers Film dennoch voller reizvoller Ideen: Wunderbar etwa der Kunstgriff, die Handlung als Theateraufführung im Globe Theatre starten zu lassen und erst im Verlauf der Handlung zu den richtigen Filmschauplätzen zu wechseln. Diese symbolische Überleitung vom Theater zum Kino, die auch das Wesen der Adaption ausmacht, nimmt das berühmte Zitat „All world is a stage“ geradezu wörtlich. Olivier zelebriert in seinem Film Shakespeare. Und die Musik von William Walton tut es ihm mit ihren spielerischen Tänzen im Renaissance-Stil, den noblen Fanfaren und feierlichen Chorälen gleich. Der festive Charakter und die prägnanten Themen und Motive (die zum Teil auf englischen und französischen Volksliedern beruhen) sind es, mit denen Walton den mitunter etwas holprigen Film nach Kräften unterstützt.

Das Experiment, die historische Filmtonspur mit der makellosen Live-Aufführung der Filmmusik zu kombinieren, wirkte in den ersten Szenen noch etwas irritierend, wollte nicht so recht zueinanderpassen. Doch dieses Befremden währte nur kurz. Schnell hatte Dirigent Helmut Imig die nicht ganz einfache Balance austariert. Und so war es vor allem die edle Musik William Waltons, die im exzellenten Spiel des Staatsorchesters dem Publikum über manche – historisch bedingte – Untiefe des Filmes hinweghalf.  Und auch wenn Henry V nicht ganz so gut gealtert ist, wie manch anderer Filmklassiker, so war es doch schön, ihn einmal auf der großen Leinwand zu erleben.