Passengers – Thomas Newman

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In der Antike galt Avalon als mystischer sagenumwobener Ort. Im Hollywood-Starvehikel Passengers bricht nun ein Raumschiff gleichen Namens auf, um 5000 Menschen auf dem Planeten „Homestead II“ eine neue Heimat zu geben. Doch leider besitzt die Sache einen Haken: Die Erdkolonie befindet sich 120 Lichtjahre von der Erde entfernt. Deshalb müssen alle Passagiere für die Dauer der Überfahrt in einen langen Tiefschlaf versetzt werden. Die Reise endet für einen von ihnen allerdings vorzeitig – und das mit dramatischen Konsequenzen: Aufgrund einer Fehlfunktion seiner Schlafkapsel wacht Jim Preston (Chris Pratt) nach nur dreißig Jahren wieder auf. Völlig auf sich allein gestellt erlebt er die Avalon als einen hochtechnisierten aber praktisch menschenleeren Ort, der seltsam von Zeit und Raum entrückt erscheint. Nach einem Jahr Einsamkeit und einem gescheiterten Selbstmordversuch, ringt sich der junge Ingenieur zu einer radikalen Entscheidung durch: Um seine quälende Isolation zu beenden, erweckt er die junge Aurora (Jennifer Lawrence) ebenfalls aus ihrem Dornröschenschlaf. Aurora ist in der römischen Mythologie die Göttin der Morgenröte. Und auch wenn Preston moralisch fragwürdig handelt, schöpft er doch durch ihr Erwachen neuen Lebensmut.

120 Jahre im All unterwegs: Die Avalon

Die Ausgangsbasis von Passengers fasziniert: So stellt das Drehbuch die Frage, ob es legitim ist, das Leben eines anderen Menschen derart zu beeinflussen, nur um der eigenen Einsamkeit zu entrinnen. Doch der Film von Morten Tyldum (The Imitation Game) verharrt nicht auf dieser Grundidee, sondern wechselt genauso gekonnt wie bruchlos die Genres, geht von einer modernen Robinsonade in ein Liebesdrama über und verwandelt sich im letzten Drittel gar in einen Katastrophenfilm. Die überraschend Oscar-nominierte Musik von Thomas Newman spiegelt diesen Verlauf auf gekonnte Weise: Zu Beginn ist sie vor allem atmosphärisch-rhythmisch geprägt – mit den für den Komponisten typischen perkussiven Spielereien. Dabei überwiegen in der Instrumentierung die elektronischen Anteile. Das kühle Ambiente der hochentwickelten Computer-Systeme vermittelt sich auf musikalischer Ebene mit fiependen, pulsierenden Klanggebilden. Nur gelegentlich unterstreichen Klavier und Oboe die immer verzweifelter werdende Einsamkeit Prestons. Sobald aber Aurora erscheint und beide sich ineinander verlieben, wird auch die Vertonung wärmer. Wenn man die gefühlvolle Streichermelodik mit den zarten Klaviertupfern hört, lässt die Musik sogar für kurze Zeit den Science Fiction-Kontext der Handlung vergessen.

Erwacht: Jennifer Lawrence als Aurora

Wenn Passengers im letzten Drittel, in dem Aurora und Preston sich auf die Suche nach der Ursache für die technischen Störungen machen, zum letzten Mal das Genre wechselt und das effektgeladene Finale einleitet, führt Newman gewissermaßen beide musikalischen Ebenen zusammen. Der für ihn typischen Streicherharmonik stehen kraftvolle, mitunter vom stampfenden Schlagwerk vorangetriebene Actionpiecen gegenüber. Würden die elektronischen Klanggebilde im Hintergrund nicht ständig auf das Weltraum-Setting verweisen, hätten diese Stücke auch problemlos in das letzte James Bond-Abenteuer gepasst. Diese starke Nähe zu älteren Filmmusiken aus eigener Hand ist natürlich aus vielen anderen Newman-Musiken hinreichend bekannt. Ein Fall von wiederholter Temp-Track-Liebe oder einfach nur routinierte Bequemlichkeit? Unabhängig davon, wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, ist der Grat zwischen ärgerlichem Manierismus und einer präzise auf den Filmkontext geschnittenen Vertonung wie so oft bei Thomas Newman schmal. In mancher Kritik war zu lesen, die Filmmusik böte kaum mehr als ein solides „Best-of“ des Komponisten. Wenngleich das musikalische Grundkonzept von Passengers zu überzeugen weiß, lässt sich dieser Feststellung am Ende doch kaum widersprechen.

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