Lust, Caution – Alexandre Desplat

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Ang Lees Spionagedrama Gefahr und Begierde – Lust, Caution um eine Theatergruppe, die sich dem Kampf gegen chinesische Kollaborateure im von Japan besetzten Shanghai während des zweiten Weltkriegs anschließt, gehört zu den besonders eindringlichen Kinofilmen des Jahres. Im Zentrum der Geschichte steht die junge Wong Chai Chi, die zwar über keinerlei Spionageerfahrung verfügt, aber dennoch auf einen Kollaborateur angesetzt wird. Um ihm nahe zu kommen und die Chance eines Attentats zu ermöglichen, lässt sie sich auf eine gefährliche Affäre ein und verstrickt sich so immer weiter in ein für sie und ihre Komplizen folgenschweres Gefühlschaos.

Es ist die angenehm zurückhaltende Inszenierung, in der sich Lee erneut als präziser Beobachter erweist, die einmal mehr hervorsticht. Mimik und Gestik der Figuren kommt in vielen eine stärke Bedeutung zu als den Dialogen selber. Wie schon in seinen früheren Filmen gelingt es ihm exzellent der im Grunde traditionell erzählten Geschichte mit kleinen Kunstgriffen eine neue Perspektive abzugewinnen. Viel diskutiert wurden die freizügigen Sexszenen, die aber tatsächlich weitaus weniger skandalträchtig sind als sich nach der Lektüre verschiedener Feuilletonartikel denken ließe. Tatsächlich stellt Ang Lee sie komplett in den Dienst der Handlung, verdeutlicht anhand der Körpersprache der Liebenden den emotionalen Sog, in den das ungleiche Paar hineintaumelt. Doch auch in der realistischen Gewaltdarstellung und in mancher ungewöhnlichen Einzelszene (wie die, in der sich Wong Chai Chi auf ihre Spionagetätigkeit „vorbereitet“ und ihre Jungfräulichkeit verliert), bricht sein Film wohltuend mit den üblichen Konventionen des Genres.

Die Filmmusik des letztjährigen Golden Globe-Preisträgers Alexandre Desplat begleitet das titelgebende Spannungsfeld zwischen Vorsicht und Leidenschaft mit einer brodelnden, atmosphärisch-stimmungsvollen Vertonung, die mit reizvollen thematischen Akzenten gespickt ist. Wie schon bei seiner ebenfalls asiatisch angehauchten Musik zu The Painted Veil (2006) verzichtet der Franzose weitgehend auf Klangexotik. Hier und da evozieren zwar Harfe und Glockenspiel typisch asiatische Harmonien. Doch es bleibt bei diesen dezenten Ansätzen. Stattdessen begegnen dem Hörer reizvolle Instrumentsoli von Klavier, Violine und Cello, bei denen die Musik immer wieder einen kammermusikalischen Tonfall einnimmt. Die charakteristischen Minimalismen des Komponisten sind zwar anzutreffen, spielen aber insgesamt (im Gegensatz beispielsweise zu The Queen) nur eine untergeordnete Rolle. Es sind vor allem die düsteren Streicherharmonien und die brodelnden Ostinati des Schlagwerks, die das eigentliche Bild der Komposition prägen. Sie verdeutlichen, wie sehr Alexandre Desplat seine Arbeit – vom Prinzip her durchaus vergleichbar mit The Painted Veil – der Geschichte untegeordnet hat.

Auf den Hörer kommt deshalb zwangsläufig die ein oder andere rein atmosphärische Spannungsuntermalung (etwas Straffen hätte dem etwa einstündigen CD-Schnitt sicher nicht geschadet) zu. Doch es sind die thematischen Akzente, mit denen Desplat derartige Durststrecken vergessen macht. Dies gilt vor allem für das bittersüße, anmutige Thema für Wong Chai Chi (in Track 3 „Falling Rain“ vom Klavier vorgestellt, im Vorlauf der Komposition auch von den Streichern aufgegriffen), das vielleicht zu den schönsten melodischen Einfällen des Filmmusikjahres 2007 gehört. Geschickt versinnbildlicht es die Sehnsucht und Unbedarftheit der jungen Spionin. Flankiert wird das Thema von einem eleganten Walzer, dem „Dinner Waltz“, und einem einfachen Spannungsmotiv, das Desplat gleich zu Beginn der CD im Titelstück „Lust, Caution“ einführt. Diese thematische Basis wird von ihm geschickt in der Partitur motivisch verarbeitet und lässt Lust, Caution zusammen mit der feinsinnigen und subtilen Instrumentierung zu einer besonders stimmungsvollen Filmmusik werden.