Krabat – Annette Focks

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Die Fantasy-Welle im Kino hielt auch im Jahr 2008 unverändert an: Mit der Verfilmung von Ottfried Preußers beliebtem Jugendbuch Krabat (das bereits 1971 erschienen ist und selbst auf einer sorbischen Volkssage basiert) um einen Jungen, der in einer Mühle von einem Zaubermeister der schwarzen Magie ausgebildet wird, warb der deutsche Regisseur Marco Kreuzpaintner um die Gunst des Publikums. Die Filmmusik von Annette Focks (Ein fliehendes Pferd) ist mit spürbarer Ambition und erheblichem Aufwand in Szene gesetzt: Die junge Komponistin konnte für ihre Arbeit auf ein für deutsche Verhältnisse ordentliches Budget zugreifen: Dementsprechend besteht das musikalische Aufgebot aus dem Münchener Philharmonic Sound Orchestra und Mitgliedern des Bayrischen Staatsorchesters sowie des Münchener Motettenchores. Eigentlich optimale Voraussetzungen für eine üppige, charismatische Fantasy-Vertonung aus deutschen Landen. Doch beim Hören tritt schnell Ernüchterung ein. Das musikalische Resultat irritiert, weil es viel zu unentschlossen zwischen einem eigentümlichen, Ort und Zeit der Handlung nachspürenden Vertonungsansatz und Zugeständnissen an typische Hollywood-Vorbilder der jüngeren Vergangenheit pendelt.

Es sind barocke Elemente, wie das Spiel der Gambe (neben ethnischen Flöten und der Schalmei), die die Zeit der Handlung (der große nordische Krieg von 1700 bis 1721) spiegeln und der Komposition einen spröden, pastoralen Charme verleihen. Hinzu kommen klangvolle Streicher-Themen, die das Herzstück der Komposition bilden und immer wieder reizvolle Glanzpunkte setzen. Doch so ganz scheint man diesem Vertonungsansatz nicht vertraut zu haben. Denn Annette Focks orientiert sich in der Harmonik vor allem an Howard Shores Herr der Ringe-Opus, an dem sie mit manchem Legato-Spiel der Streicher, aber auch in den Chorgesängen bzw. Vokalisen mitunter nur haarscharf vorbeischrammt. Und als wäre das nicht genug, wird das Spiel des Orchesters immer wieder durch elektronisch erzeugte Rhythmik und synthetische Klangflächen angereichert. Ebenso kurios mutet in diesem Zusammenhang das offenbar stark am Computer nachbearbeitete und dadurch etwas schwammig und künstlich wirkende Klangbild an. Derartige Zugeständnisse an den Zeitgeschmack – mitunter fühlt man sich auch an die Media Ventures- Ästhetik erinnert, hat die Musik eigentlich gar nicht nötig und erstaunen umso mehr, wenn man bedenkt, dass Annette Focks noch vor Kurzem im Interview betont hat, sie habe bei ihrer Vertonung völlig freie Hand gehabt.

So überrascht es wenig, dass die Krabat-Musik immer dann am besten ist, wenn die Komponistin sich traut, eigene Wege zu gehen, etwa mit einfühlsamer Streichermelodik für die Musik einnimmt oder mit den Soli der Gambe die spröde Atmosphäre der Filmhandlung stimmungsvoll unterstreicht. In diesen Momenten zeichnet sich eine mögliche Richtung der Vertonung ab, die nur leider nicht konsequent genug weiter verfolgt wurde. Ein wenig Hollywood musste es dann wohl doch sein (dafür spricht auch der in seinen poppigen Disco-Rhythmen deplatzierte Abspannsong Allein allein von Polarkreis 18, der auf der CD allerdings nicht enthalten ist), um die Chancen der Produktion an den Kinokassen zu erhöhen. Doch die Musik vollführt damit einen nahezu unmöglichen Spagat, der zwangsläufig einen wankelmütigen Eindruck hinterlässt. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, da der Umgang mit den Themen etwas statisch wirkt und die Spannungssequenzen mit ihren monotonen Tremoli musikalisch nur wenig Interessantes bieten.

Die filmmusikalische Großproduktion Krabat ist deshalb in Ehren gescheitert, Annette Focks eine nur in Teilen ansprechende Musik gelungen. Am Ende hätte man sich vonseiten der Produzenten doch mehr Mut gewünscht, sich stärker von den wohlbekannten US-Vorbildern zu lösen. Ansätze dafür sind durchaus vorhanden und Annette Focks eine absolut talentierte Komponistin. Schade nur, dass hier sie entweder nicht durfte oder wollte. Von ihr selbst stammt das treffende Zitat (das übrigens auch auf der Rückseite der CD-Hülle abgedruckt ist): „Jeder Film seinen hat eigenen musikalischen Ton, den es herauszufinden gilt.“ Nur irgendwie schade, dass dieser eigene Ton bei Krabat so eigen dann doch wieder nicht klingt.