Harry Potter and the Half Blood Prince – Nicolas Hooper

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Neben der vordergründigen Fantasy-Geschichte erzählen die Harry Potter-Bücher der Erfolgsautorin J.K. Rowling in erster Linie von der schwierigen Phase des Erwachsenwerdens der Hauptfiguren. Die Suche nach der eigenen Identität, die erste Liebe aber auch die Auseinandersetzung mit den zum Teil bitteren Realitäten des Lebens sind die zentralen Themen, die den berühmten Zauberlehrling und seine Freunde über alle Folgen begleiten. Dies gilt nicht zuletzt auch für die filmische Umsetzung: Von den ersten beiden noch märchenhaft verspielten Teilen als Ausgangspunkt wurde die Handlung mit jeder Fortsetzung erwachsener, die Stimmung schwermütiger und düsterer. Diese Entwicklung wird nicht zuletzt durch die jeweiligen Filmmusiken gespiegelt: Bereits John Williams entfernte sich in Harry Potter And The Prisoner Of Azkaban mit mittelalterlich anmutenden Einflüssen ein gutes Stückchen von der üppigen, Tchaikovskys Nussknacker nahe stehenden Sinfonik seiner ersten beiden Musiken. Und auch Patrick Doyle schuf für Harry Potter And The Goblet Of Fire (2005) eine überraschend melancholische und streckenweise atmosphärisch angelegte Tonschöpfung, die mit Stücken wie dem elegischen „Harry in Winter“ immerhin aber noch zu begeistern wusste.

Beim fünften Teil, Harry Potter and the Order of the Phoenix, übernahm der international noch völlig unbekannte Nicholas Hooper das Zepter. Mit ihm ging die kompositorische Reduktion noch einen Schritt weiter: Keine üppige Hollywood-Sinfonik erwartet den Hörer, sondern eine atmosphärische, in einzelnen Stücken gar kammermusikalisch angelegte Vertonung. Im schlichten Gestus handelte es sich um eine Arbeit, die man wohl eher einem britischen Fernsehfilm zugeordnet hätte, als einer der erfolgreichsten Hollywood-Blockbuster-Reihen der letzten Jahre. Das seinerzeit Geschriebene lässt sich nun analog auf Teil 6, Harry Potter and the Half Blood Prince, dessen Musik Hooper ebenfalls komponiert hat, anwenden: Erneut handelt es sich um eine zurückhaltend-schlichte fernsehhaft wirkende Vertonung. Ein wenig mehr stilistische Vielseitigkeit bietet die weitgehend orchestrale Musik allerdings schon: Der stimmungsvolle wortlose Choral „In Nocturne“ (der bisweilen an Zimmers Da Vinci Code erinnert), das folkloristische „Farewell Aragog“ oder die Big Band-Musik in „Wizard Wheezes“ sorgen für Abwechslung, wo der Vorgänger vergleichsweise monoton erschien. Eher konventionell betrauert Hooper den tragischen Tod einer der Hauptfiguren mit elegischen Adagios und feirlichen Chorälen. Als besonders gelungen erweisen sich dagegen kammermusikalische Piecen wie z.B. „Harry & Hermione“ oder das die zart aufkeimende Romanze Harry Potters untermalende „When Ginny kissed Harry“, in denen Soli der Harfe für ungewöhnlich intime Momente sorgen.

Doch diese charmanten Stücke werden immer wieder durch rein funktionale Spannungspassagen verwässert, in denen Hooper auch vor synthetischen Klangflächen nicht zurückschreckt. Die daraus resultierende stilistische wie qualitative Wechselhaftigkeit, die ohnehin ein Straffen durch Programmieren der Höhepunkte (z.B. als Vorschlag die Stücke 1, 2, 3, 4, 7, 8, 11, 12, 13, 17, 20, 21, 19, 24, 26, 27, 28) nahelegt, besitzt leider den unangenehmen Seiteneffekt, dass sich die Magie des Harry Potter-Universums wie schon beim Vorgänger nicht so recht einstellen will. Schnell wird deutlich, dass es nicht ausreicht, hier und da das berühmte Hauptthema von Williams zu zitieren um die Fantasy-Geschichte auf musikalischer Ebene angemessen weiterzuspinnen. So entsteht zwangsläufig der Eindruck, dass Hooper der Harry Potter-Vertonung nicht ganz gewachsen war und er sich deshalb in eine zwar phasenweise gefällige, aber letztendlich doch eher simple musikalische Gestaltung gerettet hat. Das Unterfangen ist zumindest insofern gelungen, als dass die Musik im Filmkontext nicht negativ auffällt. Nachhaltige Glanzlichter vermag sie freilich aber kaum zu setzen.