Das Wunder von Bern – Marcel Barsotti

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Der erste große deutsche Filmhit im Herbst ist ein Glückfall für die hiesige Kinolandschaft: Mit Das Wunder von Bern ist Regisseur Sönke Wortmann nämlich das seltene Kunststück gelungen, ein generationenübergreifendes Publikum zu begeistern – und das auf den ersten Blick mit einem eher Männer ansprechenden Thema, nämlich dem historischen 3:2-Überraschungssieg der deutschen Nationalelf am 6. Juli 1954 gegen Ungarn im Finale der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz. Der Sieg ist längst Legende – Sepp Herberger, Fritz Walter und Helmut Rahn die unvergessenen Helden von Bern.

Doch Wortmann – und daran liegt das Erfolgsgeheimnis seines Filmes – interessiert sich für mehr als nur Fußball. Das Endspiel führt allein drei parallele Erzählstränge zusammen, von denen nur einer den Weg der Mannschaft ins Endspiel begleitet. Zentral ist vielmehr eine einfühlsam geschilderte Vater-Sohn-Geschichte im Ruhrpott, die nebenbei ein stimmungsvolles Zeitporträt inkl. Kriegsheimkehrerproblematik (der Vater kehrt aus russischer Gefangenschaft zurück) und Generationenkonflikt bietet. Als Kontrast dazu ist im dritten, sehr humorvollen Erzählstrang ein neureicher Sportreporter zu sehen, der samt verwöhnter Frau zwecks Berichterstattung zur WM reist. Die unterschiedlichen Handlungsgebenen ergeben zusammen ein sensibles, unterhaltsames und berührendes Kinoerlebnis, das sorgfältig rekonstruiert die 50er Jahre wieder aufleben lässt. Da verzeiht man als Zuschauer auch gerne, dass der Film gegen Ende nicht nur charmant-märchenhaft wirkt, sondern auch etwas ins Rührselige abgleitet.

Für die musikalische Seite war Marcel Barsotti (Grüne Wüste, Dolphins) zuständig. Über weite Strecken hat der Schweizer eine warmherzige, gefühlvolle Komposition geschaffen, die ihren Schwerpunkt auf Streicher, Holzbläser und Klavier legt. Das schöne Violinsolo des intimen Hauptthemas weist bereits auf den zurückhaltenden Gestus der Musik hin. Selbst die Jubelszenen des Finales werden nur mit einem dezenten, gemäßigten Pathos unterstrichen. In den luftigen, transparenten Melodien orientiert sich Barsottis Arbeit dann auch mehr an Thomas Newman (in seinen weniger experimentellen Partituren) als am sonst hollywood-üblichen Underscoring. Allein für die spannungsbetonten Actionszenen des Endspiels griff Barsotti auf rhythmische Standards (Schlagwerk in Kombination mit viel Blech) ähnlich denen von Jerry Goldsmith und James Newton Howard zurück. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Tanzstücke im Stil der Zeit („Ackermann Rumba“, „American Boogie“), die aber gut in den Fluss der Musik integriert sind.

Die schönen Melodien machen die einfache, aber effektvolle Musik darüber hinaus selbst bei der langen Laufzeit von 71 Minuten zu einer unterhaltsamen und klangschönen Angelegenheit. Auch wenn die Vorbilder so offenkundig wie unüberhörbar bleiben, gelingt Barsotti durch den Verzicht auf überzogenes Pathos zugunsten einer weitgehend zurückhaltenden Vertonung, sich eine gewisse Eigenständigkeit zu bewahren. Alles in allem bietet Das Wunder von Bern deshalb endlich mal wieder eine schöne Filmmusik „Made in Germany“. Das aufwändig produzierte Booklet trägt seinen Teil zum positiven Erscheinungsbild der Veröffentlichung bei.