Das Parfum – Tom Tykwer, Johnny Klimek & Reinhold Heil

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Gerüche – das ist eine Binsenweisheit – lassen sich nur unzureichend in Worte fassen. Dennoch gelang Patrick Süskind 1985 das Kunststück, mit seinem Roman Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders, zahllose Leser mit einer Geschichte in den Bann zu schlagen, in der die Welt der Düfte die zentrale Rolle spielt. Im Mittelpunkt der im 18. Jahrhundert in Frankreich angesiedelten Erzählung steht der junge Jean-Baptiste Grenouille, ein junger Mann mit genialem Geruchssinn, der als Parfümeur davon besessen ist, den Duft junger Mädchen zu konservieren – und darüber zum Serienmörder wird. Mehr als zwanzig Jahre nach dem Überraschungserfolgs des Romans kommt nun die überfällige Verfilmung in die Kinos. Doch wie lassen sich Gerüche audiovisuell umsetzen? Das ist die aufregende Frage, die sich bei der von Bernd Eichinger produzierten und von Tom Tykwer bildgewaltig inszenierten Verfilmung stellt. Während rasante Kamerafahrten sowie Großaufnahmen der Nase Grenouilles das Riechen bebildern und plastische Aufnahmen (z.B. der Pariser Gosse) die Gerüche erahnen lassen, kommt vor allem der Musik eine tragende Bedeutung zu.

Umso erstaunlicher, dass Regisseur Tom Tykwer zusammen mit dem Duo Reinhold Heil & Johnny Klimek die Vertonung selber anging. Ausgerechnet Heil & Klimek, die mit ihren lärmenden Horrormusiken und dem deplatzierten Musikeinsatz bei Sophie Scholl noch in unangenehmer Erinnerung sind. Bei der prestigeträchtigen Parfum-Vertonung stand ihnen nun immerhin ein großes Budget zur Verfügung. Besser noch: Niemand Geringeres als der berühmte Simon Rattle erklärte sich bereit, die sinfonischen Anteile der Musik mit den Berliner Philharmonikern einzuspielen – zusammen mit dem Lettischen Staatschor und diversen Gesangssolisten als Verstärkung. Hochkarätige Namen also, die sich fraglos auf jedem Filmplakat gut machen und zugleich für den Film medienwirksam die Werbetrommel rühren.

Von diesem edlen Anstrich sollte man sich jedoch nicht allzu sehr blenden lassen: Das Parfum liegt nämlich voll im filmmusikalischen Zeitgeschmack und dürfte in seiner Mischung aus Orchesterspiel, Vokalanteilen, ätherischen Ambient-Klängen sowie elektronischen Rhythmen anspruchsvolle Klassikliebhaber wohl eher enttäuschen. Für eine raffinierte, subtile sinfonische Gestaltung mangelt es dem Trio Tyker, Heil und Klimek ohnehin an kompositorischen Fähigkeiten. Diesen Mangel versuchen sie mit einem einfachen, im Film aber doch sehr wirkungsvollen Vertonungskonzept auszugleichen: Ihr zentraler Einfall ist dabei, die jungen Mädchen und ihren Duft durch sirenenartige weibliche Sopranstimmen (als Symbol für ihre Reinheit und Unschuld) zu versinnbildlichen , während ein Knabensopran Grenouilles Faszination als „quasi abgeschwächter“ Reflex spiegelt. Die wenigen Momente der Erkenntnis des jungen Parfümeurs (z.B. über die eigene Geruchlosigkeit) begleiten sakrale Chorgesänge. Parallel dazu wird die von ihm ausgehende Bedrohung anachronistisch mit elektronischer Rhythmik unterlegt, die phasenweise einen Herzschlag imitiert. Für das Paris des achtzehnten Jahrhunderts erklingen dazu schwelgerische Streichermelodien (meist reizvoll umspielt von Harfe, Glockenspiel und Celesta), wobei das Komponisten-Trio aber zu keinem Zeitpunkt besonders an authentischer zeitgenössischer Musik interessiert zu sein scheint.

Eingebettet sind die Leitmotive in eine sehr atmosphärisch und stimmungsvoll angelegte Klanglandschaft, die eine hypnotisierende, geradezu betörende und einlullende Wirkung entfaltet. Das ist kurios, denn die einzelnen musikalischen Bestandteile erweisen sich bei näherer Betrachtung doch als recht simpel gestrickt: Die einfachen Streicherostinati, brodelnden Klangkollagen und die dramatischen Spannungsstücke sind alles andere als orchestrale Kabinettstückchen. Variationskunst und thematische Verarbeitung bleiben praktisch völlig aus. Dennoch geht die Rechnung vor allem im Zusammenspiel mit den Bildern auf, funktioniert die Reduktion auf einfache Stilmittel überraschend gut. Auf CD tut sich die Komposition zwangsläufig schwerer, offenbart trotz der charismatischen Ausstrahlung so manche noble Blässe und Redundanz. Trotzdem lädt die Vertonung dazu ein, das musikalische Parfüm im eigenen Plattenschrank zu konservieren. Wenngleich man aufpassen sollte: Dieser Duft könnte möglicherweise flüchtig sein.