Arrival – Jóhann Jóhannsson

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Louise Banks (Amy Adams) nimmt ersten Kontakt zur Besatzung des Raumschiffs auf © 2016 Sony Pictures Releasing GmbH

Sie bringen Klänge aus einer anderen Welt: In Denis Villeneuves Science-Fiction-Drama Arrival besuchen Außerirdische die Erde. An zwölf verschiedenen Orten rund um den Globus erscheinen ohne Vorwarnung überdimensional große Ei-förmige Gebilde. Doch was wollen die Aliens? Sind sie den Menschen feindlich gesinnt oder kommen sie in Frieden? Die Gäste aus dem All verständigen sich mit sonoren Geräuschen und kreisartigen Schriftsymbolen, die zunächst völlig unverständlich erscheinen. Das Militär ruft deshalb die Sprachforscherin Louise Banks (Amy Adams) zur Hilfe. Die junge Frau soll mit den fremdartigen Wesen Kontakt aufzunehmen und den Grund ihres Erscheinens herausfinden. Langsam erlernt sie die Sprache der Außerirdischen, eine Erfahrung, die sie selbst und ihr Verständnis von Raum und Zeit nachhaltig verändert.

Erste Kommunikationsversuche: Louise Banks (Amy Adams) © 2016 Sony Pictures Releasing GmbH

Anders als bei den meisten Genrefilmen mit ihren effektgeladenen Angriffsszenarien geht es in Arrival in erster Linie um Kommunikation und das Erlernen von Sprache. Jóhann Jóhannsson (Sicario) greift diese Idee in seiner Filmmusik konzeptuell auf. In düster-avantgardistischen Klangtexturen verwischt er die Grenze zwischen Musik und Sound Design, zwischen diegetischer und nicht-diegetischer Musik. Besonders deutlich wird dies in den ersten Begegnungen mit den Aliens („Arrival“/“First Encounter“): Die Stimmen der fremden Wesen, die zum Teil an Walgesänge erinnern, werden zu einem integralen Bestandteil der Musik. Die eigenwilligen Geräusche spiegeln raffiniert die Sprachbarriere zwischen Menschen und Außerirdischen: In einem Berliner Studio nahm Jóhannsson verschiedene Instrumente (z.B. Cello, Trompete) und Stimmen auf, die er in verschiedenen Tempi und Tonhöhen in Schleifen abspielte, verfremdete und sich überlagern ließ, um so einen echo-artigen Effekt zu erzielen. Die einzelnen Schichten der so entstandenen Klanglandschaften verbinden sich zu einem undifferenzierten sonoren Brodeln – analog zu der anfangs für Menschen noch undurchdringlichen Sprache der Außerirdischen.

Das Raumschiff in den Weiten des amerikanischen Westens
© 2016 Sony Pictures Releasing GmbH

Je mehr Louise Banks diese Sprache allerdings entschlüsselt, umso differenzierter erscheint auch die Filmmusik: Hier und da lassen sich Streichinstrumente herauszuhören. Gesampelte Stimmen von Menschen, die im Stakkato einfache Silben artikulieren, werden immer deutlicher wahrnehmbar. Das Grundprinzip der komplexen Klangschichtungen verlässt Jóhannsson allerdings nicht. Die Außerirdischen bleiben dafür in ihrem Wesen dann doch zu fremdartig und mysteriös. Bemerkenswert ist auch, dass die Musik zwar Elemente der Handlung aufgreift und subtil den langsamen Veränderungen und Verschiebungen nachspürt, aber nie auf traditionelle Weise narrativ agiert. Auch Themen im traditionellen Sinne gibt es nicht. Die Grundidee der Aufhebung von Zeit, des Verschmelzens von Vergangenheit und Zukunft, findet in den flächigen, rhythmisch geprägten Strukturen eine Entsprechung. Dazu passt auch, dass Max Richters minimalistisches Stück „On the nature of daylight“ (2004) die Handlung als emotionale Klammer umschließt. Anfang und Ende werden eins.


Die eigenwillige Vertonung verleiht dem Film eine ganz spezielle Atmosphäre und erzeugt (vor allem am Anfang) ein Gefühl latenter Bedrohung und nervöser Anspannung. Doch in ihrem meditativen Charakter transzendiert sie zugleich die Bildebene. Die Musik scheint ebenso zeitlos im Raum zu schweben – wie es die zwölf auf der Erde verteilten Raumschiffe über dem Boden tun. Das Publikum sei hungrig nach neuen Klängen, hat Jóhann Jóhannsson in einem Interview anlässlich des Kinostarts (s.u.) betont. Auch wenn seine Arrival-Vertonung unleugbare Vorbilder in der musikalischen Avantgarde besitzt, kann der Isländer hier diesen Hunger durchaus stillen. Die raffinierten Klangschichtungen mit ihren pulsierenden Loops und das intelligente Spiel mit der menschlichen Stimme lassen eine charismatische Klanglandschaft entstehen, die in der gegenwärtigen Hollywood-Landschaft ihresgleichen sucht.


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