Annette Focks und die ???

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Die drei ??? – Das Geheimnis der Geisterinsel (2007)

Die 1964 in Niedersachen geborene Annette Focks überzeugt nun schon seit einigen Jahren durch ihre große Wandlungsfähigkeit, die es ihr nicht nur erlaubt hat, Filme unterschiedlicher Genres zu vertonen, sondern auch eine bemerkenswerte stilistische Bandbreite von Weltmusik, Jazz über Kammermusik bis hin zur großorchestralen Sinfonik an den Tag zu legen. Scheinbar mühelos pendelt sie zwischen ernsten Dramen und leichtem Unterhaltungskino. Dieser Weg führte sie u.a. 2007 zum Kinodebüt der beliebten Hörspielserie Die drei ???. Die berühmten Hobby-Detektive reisen darin nach Südafrika, um das Geheimnis der titelgebenden Geisterinsel, auf der ein mysteriöses Ungeheuer namens Tokolosh sein Unwesen treibt, zu lüften. Die in München lebende Focks hat für die Vertonung ein zwar naheliegendes, aber dennoch überraschendes Konzept gewählt: Während sie den Krimi-Elementen der Geschichte mit kaum zu überhörenden Verweisen auf die Mission: Impossible-Musiken Lalo Schifrins und gängigen James Bond-Klischees begegnet, unterstreicht sie mit afrikanischen Zulu-Gesängen und ethnischen Trommelrhythmen (die Parallelen zu Niki Reisers Nirgendwo in Afrika (2001) und der eigenen Malunde-Musik aufweisen) unerwartet prominent das Kolorit des schwarzen Kontinents. Auch wenn die Zutaten an sich nicht besonders originell sind, stimmt die Mischung aus Spannungsmusik, Folklore, Jazz und klangschöner Streichermelodik dennoch. Als etwas schwachbrüstig erweisen sich allein die thematischen Einfälle: Vermutlich um bei Anhängern der „Drei ???“ einen höheren Wiedererkennungswert zu erzeugen, wurde das blasse Hauptthema der Hörspielserie (ursprünglich komponiert von Denis Goekdag und Gerhard Ottmer) in einem poppigen Arrangement übernommen („The Tree Investigators – Main Theme/Outro“). Damit muss die eigentliche Musik von Annette Focks zwangsläufig ohne einen markanten, die Partitur tragenden thematischen Einfall auskommen. So verwundert es kaum, dass diese trotz immer wieder hörenswerter Passagen stilistisch ein wenig zerfasert und mit über 77 Minuten auf CD nicht zuletzt überrepräsentiert ist. Schlussendlich lässt sich aber trotzdem ein positives Fazit ziehen, denn unterhaltsam und kurzweilig ist die musikalische Kinowelt der Drei Fragezeichen über weite Strecken durchaus.

dreifragezeichenschloss

Die drei ??? – Das verfluchte Schloss (2009)

Die so bunten wie kontrastreichen Klangwelten der ersten Filmmusik weichen in der Fortsetzung Die drei ??? – Das verfluchte Schloss einer deutlich düsteren, zugleich aber stilistisch einheitlicheren musikalischen Gestaltung. Dabei spielen Zugeständnisse an die gegenwärtigen Hollywood-Standards auch hier eine Rolle, wobei Annette Focks abseits des „Main Title“ weniger an die Agentenmusiken von Lalo Schifrin oder John Barry anknüpft, sondern sich vielmehr nach Krabat erneut an Howard Shores Herr der Ringe anlehnt. Auch wenn die stilistischen Parallelen nicht ganz so markant zutage treten wie noch bei der Preußler-Verfilmung, rufen das legato-Spiel der Streicher und die raunenden Choräle doch ein ums andere Mal die Musik der Tolkien-Adaption in Erinnerung. Aber wie schon Krabat sollte man auch diese Musik nicht allein darauf reduzieren. Gelegentlich arbeitet Annette Focks mit unerwarteten stilistischen Ausflügen, etwa in Richtung Italowestern schielende Trompetensolo in „Sheriff bedroht die Jungs“ oder die immer wieder aufblühende Streichermelodik (z.B. „Caroline als Retterin“/“Abschied“), mit der sie so reizvoll wie unüberhörbar an den romantischen John Barry anknüpft. Attraktiv auch die delikaten Soli der Violine, die der Musik zumindest für kurze Momente eine lyrisch-konzertante Prägung verleihen. Der entstehende Gesamteindruck ist trotzdem schon fast zwangsläufig durchwachsen. Der kompetente Umgang mit dem Orchester und das souveräne Spiel mit den Stilkopien im Agenten- und Fantasy-Genre machen die Musik zwar hörenswert und besitzen nicht zuletzt in der deutschen Filmmusiklandschaft Seltenheitswert. Doch zugleich fehlt bei aller gefälliger Sinfonik eine gute Prise Raffinesse und Pfiff, um die zum Teil etwas statisch wirkende Vertonung ausreichend von ihren Vorbildern abzusetzen, ihr ein eigenes Profil zu verleihen. Vielleicht mögen einige jugendliche Kinogänger über die unterhaltsame Musik dennoch einen Einstieg in die Welt der Filmmusik finden. Und das wäre allein schon aller Ehren wert. Erfahrenere Hörer werden hingegen mit großer Wahrscheinlichkeit den unverkennbaren Vorbildern den Vorzug geben.

Fazit

Schade irgendwie, dass die unbestreitbar talentierte Annette Focks auch weiterhin noch keinen Weg gefunden hat, vielversprechende Filmstoffe wie Krabat oder Die drei ??? mit einer charismatischen Vertonung auszustatten, die die Hommage an Vorbilder elegant mit der eigenen Tonsprache verbindet. Beide hier vorgestellten Fragezeichen-Musiken besitzen unbestreitbare Hörqualitäten. Doch leider stehen sie zu sehr im Schatten der überaus populären Vorbilder, um vorbehaltlos begeistern zu können. Und damit steht sich die Komponistin am Ende doch ein wenig selbst im Wege.